Gute Vorsätze für 2018

Die Zeit um den Jahreswechsel wird typischerweise genutzt, um sich mit Vorsätzen zu befassen, so wie es auch @anwaltsgelaber getan hat:

https://twitter.com/anwaltsgelaber/status/947004486417076224

Im Strafrecht ist der Vorsatz, wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 16 Abs. 1 StGB ergibt, die Kenntnis aller Tatumstände eines Straftatbestandes und der Wille zu deren Verwirklichung. Er ist zwingendes Tatbestandsmerkmal - ohne Vorsatz keine Strafe, wenn nicht die Strafbarkeit durch Fahrlässigkeit ausdrücklich bestimmt ist.

Aber so einfach ist es natürlich nicht, wie schon der Generalvertreter Traps im Hörspiel "Die Panne" von Friedrich Dürrenmatt erfahren müsste:

"Damit begann ein langes Gerede zwischen dem Verteidiger und dem Staatsanwalt, ein hartnäckiges Hin und Her, halb komisch, halb ernst, eine Diskussion, deren Inhalt Traps nicht begriff. Es drehte sich um das Wort dolus, von dem der Generalvertreter nicht wußte, was es bedeuten mochte."

Zur Abgrenzung wird der Dolus (Vorsatz) in drei Stufen eingeteilt:

Dolus directus 1. Grades („Absicht“): Der Täter hat den zielgerichteten Wille, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen; es kommt ihm gerade auf diesen an.

Dolus directus 2. Grades („direkter Vorsatz“, „Wissentlichkeit“): Der Täter muss den Erfolg durch wissentliches Handeln herbeiführen. Der Erfolg muss allerdings nicht wie bei der Absicht das angestrebte Ziel sein.

Dolus eventualis („Eventual- oder bedingter Vorsatz“): Der Täter hält der Taterfolg für möglich und nimmt ihn billigend in Kauf, selbst wenn er ihn nicht will.

Grundsätzlich ist der Eventualvorsatz ausreichend, um eine Strafbarkeit zu begründen, wenn nicht im Gesetz Absicht vorausgesetzt wird.

Problematisch ist der schmale Grat der Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit, der dann über Strafbarkeit oder  nicht entscheiden kann.

Eine bewusste Fahrlässigkeit soll nach ständiger Rechtsprechung vorliegen, wenn der Täter ernsthaft auf den Nichteintritt eines tatbestandlichen Erfolgs vertraut. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist Eventualvorsatz selbst dann anzunehmen, wenn dem Täter ein Erfolgseintritt an sich zwar unerwünscht sein mag, er diesen aber billigt.

Meine Empfehlung für das neue Jahr: machen Sie sich nicht strafbar - obwohl es im Nebenstrafrecht weiß Gott mehr als genug Gelegenheiten dafür gibt, zumal wenn man kein Compliance-System hat.

Ein paar Beispiele worauf Sie achten sollten, finden Sie in unseren Rubriken Compliance und Geschäftsführerhaftung.

 


Symbolbild

Gewinnvorträge in der GmbH beim Unternehmensverkauf

Vor kurzem hatten wir schon einmal etwas dazu geschrieben, wem der laufende Gewinnanspruch beim Verkauf einer GmbH zusteht.

Eine weitere Frage die in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist, wie beim Verkauf von Anteilen an einer GmbH mit aufgelaufenen Gewinnvorträgen umgegangen werden soll.

Grundsatz

Beim Verkauf von GmbH-Anteilen - einem so genannten Share-Deal - bleibt die Gesellschaft unverändert, nur der Eigentümer wechselt. Der Käufer erwirbt daher grundsätzlich auch die zum Übergabestichtag vorhandenen aufgelaufenen Bilanzgewinne.

In der Praxis stellt sich für Käufer und Verkäufer daher die Frage, wie sie mit diesen aufgelaufenen Gewinnvorträgen umgehen - zumal zu einem Zeitpunkt über den Kaufpreis verhandelt wird, zu dem oft noch nicht feststeht, wie viel Kapital zum Übergabestichtag tatsächlich vorhanden sein wird.

Festlegung des Eigenkapitals im Kaufvertrag

Beispielsweise soll der Kaufpreis 500.000,00 € betragen, bei einem Eigenkapital von 100.000,00 €. Mit Eigenkapital ist hier allerdings nicht das satzungsgemäße Kapital gemeint, sondern Vermögen abzüglich Schulden. Im Vertrag kann dies beispielsweise wie folgt formuliert werden:

"Der Kaufpreis für die in einzelnen bezeichneten Anteile beträgt 500.000,00 € (Euro fünfhunderttausend). Dabei gehen die Parteien davon aus, dass die Gesellschaft zum Übertragungsstichtag über ein Eigenkapital in Höhe von 100.000,00 € verfügt. Das Eigenkapital ist zu ermitteln als Differenz der Posten der Aktivseite (§ 266 Abs.2 HGB) zur Summe aus Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten und Passiven latenten Steuern (§ 266 Abs.3 Buchstabe B-E HGB)."

Auf den Übergabestichtag wird dann eine Zwischenbilanz erstellt, aus der sich das Eigenkapital ergibt. Ist das Eigenkapital zu diesem Stichtag höher als vereinbart, erhöht sich der Kaufpreis um diesen Betrag. Ist das Eigenkapital niedriger, dann reduziert sich der Kaufpreis nachträglich um diesen Betrag.

Wenn sich beispielsweise auf der Grundlage des auf den Übergabestichtag erstellten Abschlusses ergibt, dass das Eigenkapital zum Übergabestichtag 150.000,00 € beträgt, erhöht sich der Kaufpreis um 50.000,00 € (150.000,00 € - 100.000,00 €) auf 550.000,00 €.

Vorherige Ausschüttung

Viele Unternehmer schütten Bilanzgewinne nicht in voller Höhe sofort aus, sondern belassen diese in der Gesellschaft - der Hintergrund ist dabei meist, dass bei Ausschüttung Kapitalertragssteuer anfällt, die eingespart werden soll.

Aus Sicht des Käufers muss geprüft werden, wie viel Kapital als operatives Arbeitskapital wirklich im Unternehmen gebraucht wird.

Ist für den Betrieb des Unternehmens "unnötiges" Kapital vorhanden, kann es sinnvoll sein, dieses nicht benötigte Kapital im Vorfeld der Übertragung an den Verkäufer auszuschütten - sofern die Liquidität hierfür ausreicht.

Der Verkäufer hat hiervon keinen Nachteil, da der Gewinn bei Veräßerung von GmbH-Anteilen so besteuert wird wie eine laufende Gewinnausschüttung.

Bandbreite für das Eigenkapital

Üblicherweise vereinbaren die Parteien neben dem Wert der für die (vorläufige) Ermittlung des Kaufpreises zugrunde gelegt wird, auch eine Bandbreite von maximalem und minimalem Wert des zu übertragenden Eigenkapitals.

Dies gibt beiden Seiten Sicherheit im Hinblick auf den Kaufpreis und dessen Finanzierung.

In jedem Fall sollte die Frage einer möglichen Vorabausschüttung aufgelaufener Bilanzgewinne und des zu übertragenden Eigenkapitals im Rahmen der finalen Kaufvertragsverhandlungen geregelt werden.


Unrecht Gut gedeiht nicht (BGH zum Schaden bei Steuerhinterziehung)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich in einem kurz vor Weihnachten veröffentlichten Urteil vom 9.11.2017 - IX ZR 270/16 - damit zu befassen, ob die von einem Steuerhinterzieher nach einer Selbstanzeige nachgezahlten Steuern einen Schaden darstellen.

Es geht um folgenden - ganz nett zu lesenden - Fall:

Die Klägerin hatte Steuern hinterzogen und musste die Entdeckung fürchten. Deshalb beauftragte sie einen Anwalt damit, eine strafbefreiende Selbstanzeige zu entwerfen.

Die Selbstanzeige war zwischen Anwalt und Mandantin schon abgestimmt, sollte aber erst nach Freigabe durch die Mandantin an das Finanzamt geschickt werden. Aufgrund eines Kanzleiversehens wurde die Selbstanzeige allerdings ohne Ermächtigung seitens der Klägerin an das Finanzamt versandt.

Das Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin wurde wegen der strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt.

Die Klägerin zahlte die von ihr hinterzogenen Steuern nach und außerdem eine Rechnung an den Steuerberater für Leistungen im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Abwicklung der Selbstanzeige.

Nun wollte sie beides - gezahlte Steuern und Steuerberaterrechnung - von ihrem Anwalt als Schaden ersetzt haben.

Überraschung: Alle Gerichts haben die Klage abgewiesen. Zwar habe der Anwalt die ihm obliegenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, weil er die Selbstanzeige ohne Freigabe zur Post gegeben hat. Diese Pflichtverletzung sei auch ursächlich für die Steuerfestsetzung und die Steuerberaterkosten gewesen.

Allerdings stellen die ohnehin entstandenen und dann gezahlten Steuern und die damit im Zusammenhang stehenden Kosten für den Steuerberater keinen Schaden dar:

Es sei nicht Aufgabe des Beklagten gewesen, die der Klägerin aus der Begehung der Straftaten erlangten rechtswidrigen und nicht schutzwürdigen Vermögensvorteile weiterhin zu sichern.

Das Gericht begründet das dann noch sehr sorgfältig und mit grundsätzlichen Ausführungen zu den Pflichten von Anwälten und Steuerberatern.

Ich bin sicher, wenn ich meine Oma - Gott hab' sie selig - die nur die einklassige Volksschule besucht hat, gefragt hätte, hätte sie genau so entschieden. Und das ohne das ganze Juragedöns.

Hier übrigens noch eine etwas ältere Lego-Statistik zur Selbstanzeige:

https://www.schnee-gronauer.de/selbstanzeige-scheinheiliges-politisches-geschaeft-lego-statistik/

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Skulptur

Was haben Früchte mit dem Gewinnanspruch beim Kauf einer GmbH zu tun?

Gerade haben Unternehmenskäufe Saison. Eine häufige Frage beim Kauf eines GmbH-Anteils lautet, wem eigentlich der bis zum Verkauf erwirtschaftete Gewinn (Gewinnanspruch) zusteht.

Entstehen des Gewinnauszahlungsanspruchs

Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal verstehen, wie der Gewinnauszahlungsanspruch überhaupt entsteht. Dieser setzt voraus, dass der Jahresabschluss aufgestellt und von der Geschäftsführung festgestellt ist. Erst dann können die Gesellschafter einen Beschluss darüber fassen, wie der Jahresüberschuss oder der Bilanzgewinn verwendet wird; so in etwa steht es in § 29 GmbHG.

Für die Gesellschaft ist dabei "Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist" (§ 16 Abs. 1 S.1 GmbH).

Das Zwischenergebnis lautet, dass der Gewinnauszahlungsanspruch gegenüber der GmbH demjenigen zusteht, der bei Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses Gesellschafter ist - also im Regelfall dem neuen Gesellschafter. Das ist auch sinnvoll, weil der Anteilsverkauf sich zwischen dem Altgesellschafter und dem Neugesellschafter vollzieht und "die Gesellschaft" nicht weiß, was zwischen diesen vereinbart ist.

Dem entspricht auch die steuerliche Regelung in § 20 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG). Danach muss derjenige die Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuern, dem die Anteile an dem Kapitalvermögen im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind.

Anspruch des Altgesellschafters gegen den Neugesellschafter

An dieses Zwischenergebnis schließt sich aber die Frage an, ob der Altgesellschafter einen Anspruch gegen den Erwerber hat, einen Teil des Gewinns an ihn weiterzuleiten.

Wenn im notariellen Kaufvertrag geregelt ist, wem der Gewinnanspruch zusteht, ist die Sache klar. Oft ist das aber nicht der Fall oder die Standardklausel im Vertrag ist so unbestimmt, dass nicht eindeutig ist, was gemeint ist.

Die Lösung steckt in diesem Fall im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dort finden sich immer wieder an unerwarteten Stellen kluge Lösungen - so auch hier. In den §§ 90 ff. geht es darum, was "Sachen" sind, was Grundstücke, was Grundstückszubehör und was landwirtschaftliches und gewerbliches Inventar ist - und darum was Früchte sind.

In § 101 BGB geht es um die Verteilung der Früchte, also der gezogenen Nutzungen.

"Ist jemand berechtigt" - so steht es dort - "die Früchte einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen, so gebühren ihm, sofern nicht ein anderes bestimmt ist [...] Früchte insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung fällig werden; bestehen jedoch die Früchte in der Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses, in Zinsen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig wiederkehrenden Erträgen, so gebührt dem Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung entsprechender Teil".

Den letzten Teil mit den Gewinnanteilen hat der Bundesgerichtshof (BGH) herangezogen und ist in seiner Entscheidung vom 30.01.1995 - II ZR 45/94 - zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gewinn zwischen Altgesellschafter und Neugesellschafter entsprechend der Dauer ihrer jeweiligen Gesellschafterstellung zu verteilen ist. Aber, so schreibt der BGH:

"Da die Vorschrift dispositiv ist, ist Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit freilich, daß die Beteiligten keine abweichenden Abreden zugunsten des Übernehmenden oder zugunsten des Übertragenden getroffen haben."

Nur damit nichts durcheinandergerät: bei diesem Anspruch handelt es sich nicht um einen Anspruch des Altgesellschafters gegen die Gesellschaft, sondern um einen Anspruch gegen den Neugesellschafter (und wenn der keine Geld hat ist nichts zu holen).

Im konkreten Fall muss also immer der notarielle Kaufvertrag gelesen und wenn nötig ausgelegt werden oder - noch besser - gleich eine klare Regelung getroffen werden, wem der Gewinn zusteht.

Hier noch zwei Leseempfehlungen aus unserem Blog:

https://www.schnee-gronauer.de/unternehmensnachfolge-asset-deal-ausgliederung/

https://www.schnee-gronauer.de/kalkulatorischer-unternehmerlohn-unternehmensbewertung-ertragswert-bgh/


Bißchen spät, um den Geschäftsführer zu retten

Der verzweifelte Unternehmer schreibt:

Sehr geehrte Herr Dr. Schnee-Gronauer,

vielleicht erinnern Sie sich noch an mich? Wir hatten uns gut vor einem Jahr [...] kennengelernt. Habe Sie sehr positiv in Erinnerung und war von Ihrer fachlichen Kompetenz sehr beeindruckt.

Brauche dringend professionelle Unterstützung!

Stehe unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit und sehe kein Ausweg mehr als die Insolvenz.

Klar, die Schmeichelei im ersten Absatz geht runter wie Öl.

Allerdings hatte ich mit ihm und seinem Unternehmensberater vor rund 15 Monaten darüber gesprochen, wie er die Krise seiner GmbH abwenden kann - danach habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Zu meinen Empfehlungen gehörte nicht, dass er sich über die Firma ein relativ teures Auto least. Und schon gar nicht, abzuwarten, bis die Finanzverwaltung die Konten gepfändet hat und die Krankenkasse einen Insolvenzantrag stellt.

In dieser Situation ist es echt schwierig, mehr als Schadenbegrenzung zu machen:

  • Für eine Rettung des Unternehmens durch Übertragung auf einen anderen Rechtsträger ist es schon (zu) spät.
  • Dem Gesellschafter-Geschäftsführer droht selbst die Pleite wegen der Haftungsansprüche aus § 15a InsO, § 64 GmbHG und nicht zuletzt weil er auch für die Steuerschulden der GmbH nach § 69 AO haftet.
  • Gleichzeitig steht er mit einem Fuß schon fast im Gefängnis, weil er - natürlich - die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt und zu spät einen Insolvenzantrag gestellt hat.

Und zu allem Überfluss wird auch ein ambitionierter Berater in dieser Situation erst dann tätig, wenn er einen Vorschuss auf seinem Konto hat. Nur ein solches Bargeschäft nach § 142 InsO schützt ihn davor, dass der Insolvenzverwalter der GmbH das Geld irgendwann zurückfordert.

Daher die Empfehlung: Rechtzeitig zum Anwalt und machen was er sagt. Dann lässt sich das Unternehmen und die Existenz des Unternehmer retten. Und billiger ist es auch.

Hier noch ein wenig Lektüre zum Thema:
Insolvenzveschleppungshaftung und Insolvenzantragspflicht
Infografik: Prüfungsschema Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähgkeit
Insolvenz aber richtig: so vermeiden Sie Anfängerfehler!
Schulden bezahlt - trotzdem Insolvenzverfahren
Geschäftsführer: Vorsicht bei Insolvenzforderungen des Finanzamts

 

 


Keine Angst vor Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche

Seit 26.06.2017 gilt das geänderte Geldwäschegesetz. Zweck des Gesetzes ist das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten und die Verhinderung der Terrorismusfinanzierung.

Durch die Änderungen wurden die Meldepflichten bei Verdachtsfällen ausgeweitet, was beispielsweise diejenigen merken, die einen Immobilienmakler kontaktieren oder einen M&A-Berater.

Im Vorfeld der jüngsten Änderungen ist die Financial Intelligence Unit (FIU) vom Bundeskriminalamt (BKA) zum Zoll verlagert worden. Der damalige Finanzminister Schäuble war der Meinung, der Zoll könne die Arbeit besser und schlagkräftiger erledigen als das BKA.

Jetzt berichtet der Spiegel, dass die FIU von den seither etwa 29.000 eingegangenen Geldwäscheverdachtsanzeigen bislang mehr als 24.000 in der Bearbeitung zurückstellen musste. "Zurückstellen" ist ein schönes Wort für liegenlassen.

Interessant ist, dass von den bislang bearbeiteten Geldwäscheverdachtsanzeigen 4.100 an Polizei, Staatsanwaltschaften und Finanzbehörden weitergegeben und nur 900 eingestellt wurden - das sind gerade Mal 18 %.

Aber, keine Panik, liebe Geldwäscher und Terrorismusfinanzierer, denn unter den Meldungen, die an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden sind, "befinden sich nur wenige Vorgänge mit Substanz". Sagt zumindest der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler.

Prof. Dr. Kai Bussmann von der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg kam bei einer Studie für die Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass jährlich etwa hundert Milliarden Euro, die aus Verbrechen stammen, in der Bundesrepublik angelegt werden. Auch mit den jüngsten Änderungen des Geldwäschegesetzes dürfte es wohl nicht besser geworden sein.

Und weil dem Staat die Geldwäsche so ein wichtiges Anliegen ist, werden Unternehmen, die Ihren irre aufwändigen Melde- und sonstigen Pflichten aus dem Geldwäschegesetz nicht nachkommen, auch mit Bußgeld bis zu fünf Millionen Euro 10 Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens bedroht. Tja.

Hier noch eine Anekdote, was für - natürlich geldwäsche-relevante - Sachen einem Transaktionensberater passieren können.


Muss ein Steuerberater die Wirksamkeit eines Rangrücktritts prüfen?

Mit seinem Urteil vom 26.1.2017 - IX ZR 285/14 hatte der BGH die Steuerberater aufgeschreckt und viele verunsichert. Mit diesem Urteil hat er - das dürfte Konsens sein - eine Kehrtwendung vollzogen und sowohl das Pflichtenspektrum als auch die Haftungsrisiken für Steuerberater bei der Erstellung von Jahresabschlüssen für Krisenmandanten erweitert.

Eine Bilanzierung zu Fortführungswerten ist danach nicht zulässig, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird. Künftig müssen Steuerberater daher regelmäßig eine handelsrechtlichen Going-concern-Prognose einholen und ihren Mandanten (nachweisbar!) einen insolvenzrechtlichen Warnhinweises erteilen.

Schon 2013 hatte der Bundesgerichtshof die Hinweispflichten für Steuerberater verschärft.

Nun habe ich bei Steuerberater Christian Herold den Hinweis auf ein Urteil des Landgerichts Münster vom 23.8.2017, 110 O 40/16 gefunden, dass an anderer Stelle zumindest ein kleiner Trost ist.

Der Insolvenzverwalter hatte eine Steuerberatungsgesellschaft verklagt. Diese war mit der Prüfung der Insolvenzreife der späteren Schuldnerin beauftragt worden. Bei der Prüfung hatte sie allerdings übersehen, dass eine Rangrücktrittserklärung nicht wirksam war. Dadurch war die Insolvenzreife zu spät festgestellt worden und der Insolvenzantrag zu spät gestellt worden. Den dadurch entstandenen Insolvenzverschleppungsschaden von 235.500,63 € hat der Insolvenzverwalter eingeklagt.

Das Gericht ist der Auffassung, dass der Steuerberater im Rahmen der Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft die etwaige zivilrechtliche Unwirksamkeit einer Rangrücktrittserklärung aufgrund einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund für die Zukunft nicht juristisch prüfen muss.

Das Gericht führt aus:

„Der Steuerberater hat bei der Prüfung der Insolvenzreife lediglich die Pflicht, das Vorliegen einer Rangrücktrittsvereinbarung als solcher zu überprüfen. Von deren Wirksamkeit kann und darf er ausgehen, wenn nicht offensichtliche Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Die Beurteilung der Insolvenzreife muss und darf er dann ohne Berücksichtigung dieser zurückgetretenen Schulden vornehmen.“

Das klingt gut. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, da Berufung zum OLG Hamm eingelegt wurde (OLG Hamm I-25 U 31/17). Ich tippe darauf, dass das OLG das Urteil kassieren wird.

Und natürlich hat Herr Herold recht, wenn er feststellt:

"Liegt ein Rangrücktritt vor, dessen Formulierung nicht glasklar ist (und das ist meistens der Fall), sollte ein Jurist hinzugezogen werden. Zumindest ist der Mandant auf diese Möglichkeit hinzuweisen."

Klarheit darüber zu bekommen, ob er einen Insolvenzantrag stellen muss, um sich nicht strafbar zu machen und nicht persönlich zu haften, liegt aber auch im Eigeninteresse des Unternehmers.


Glaube, Liebe, Hoffnung

Geschäftsführer: vorsicht bei Insolvenzforderungen des Finanzamts

Eines der vielen Probleme mit denen sich Geschäftsführer in der Krise ihrer GmbH konfrontiert sehen, ist die persönliche Haftung für Steuerverbindlichkeiten.

Wenn eine GmbH ihre Steuern nicht bezahlen kann, kann die Finanzverwaltung einen so genannten Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer erlassen. Das ist ein relativ unspektakulärer Zettel, auf dem steht, dass der Geschäftsführer privat nun für deren Steuerschulden aufkommen soll.

Im Gesetz - genauer § 69 der Abgabenordnung (AO) - steht dazu:

"Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen [das sind insbesondere die gesetzlichen Vertreter] haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge."

Es liegt auf der Hand, dass die Verteidigungsstrategie gegen derartige Haftungsbescheide ist, entweder darzulegen, dass der Geschäftsführer keine Pflichtverletzung begangen hat, oder die Steuerschulden nicht bestehen.

Wenn eine GmbH insolvent wird, gibt es bei letzterem ein besonderes Problem:

Im Insolvenzverfahren meldet das Finanzamt seine Steuerforderungen zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter prüft die Forderung und stellt diese in der Regel fest, weil die detaillierte Überprüfung dem Insolvenzverwalter nicht möglich ist. Der Geschäftsführer der GmbH kann der Forderung widersprechen, muss es aber nicht. § 178 der Insolvenzordnung (InsO) lautet:

"Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen."

Da der Insolvenzverwalter die Forderung auch feststellen kann - und im Zweifel auch wird - wenn der Geschäftsführer der Forderung widerspricht, könnte man meinen, dass es keine Rolle spielt, ob der Geschäftsführer überhaupt etwas zu der Forderung sagt.

Der Haken für den Geschäftsführer ist aber, dass er, wenn er der Anmeldung einer Steuerforderung gegenüber der GmbH nicht widerspricht, im Haftungsverfahren gemäß § 166 AO mit Einwendungen gegen die Höhe der Steuerforderung ausgeschlossen ist, wenn er der Forderungsanmeldung hätte widersprechen können, dies aber nicht getan hat. § 166 AO lautet:

"Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten."

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dies mit seiner lesenswerten nun veröffentlichten Entscheidung vom 27.9.17 zu Aktenzeichen XI R 9/16 ausdrücklich bestätigt.

Geschäftsführer sollten daher unrichtige oder geschätzten Anmeldungen der Finanzverwaltung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH auf jeden Fall förmlich widersprechen.

Nachtrag:
Am 13.11.2018 hat die Finanzverwaltung beschlossen, die besprochene Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II zu veröffentlichen. Damit werden zugleich die Finanzbehörden die Entscheidungen allgemein anwenden (hier geht's zum pdf-Schreiben).


Symbolbild Industrie

Denkfehler bei Richtern und Geschäftsführern

Regelmäßige Leser wissen, dass ich mich nicht nur mit Jurakram befasse, sondern insbesondere damit, wie gute Entscheidungen getroffen werden.

Dazu habe ich bereits häufiger etwas geschrieben; beispielsweise darüber, wie wir in die Denkfalle der runden Zahlen tappen, darüber, dass CSU-Politiker durchschnittlich mindertalentiert sind, über die Verlustaversion von Air Jordan, allgemein über strategisches Denken in komplexen Situationen und darüber, zu verhandeln wie John Coltrane spielt.

Um so mehr freut es mich, dass die Befassung mit Fehlern bei Wahrnehmung und Beurteilung sich mittlerweile anschickt, in den Mainstream zu wandern.

Heute morgen hatte ich in der Bahn bei der Lektüre der Doktorarbeit von Justus Gotthardt mit dem Titel "Begrenzung des unternehmerischen Risikos im Insolvenzverfahren" im Abschnitt über Insolvenzverschleppungshaftung - also der Haftung aufgrund verspäteter Stellung eines Insolvenzantrags - Folgendes gefunden:

"Über diesen Katalog an Haftungstatbeständen hinaus [gemeint sind § 15a InsO und § 64 GmbHG] wird die Haftung der geschäftsleitenden Personen jedoch grundsätzlich abgelehnt, da sich inzwischen in Literatur und Rechtsprechung die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass einer richterliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidung enge Grenzen zu setzen sind, um der hindsight bias vorzubeugen. Also der belasteten Bewertung unternehmerischer Entscheidungen in der Rückschau unter dem Eindruck des Eintritts ursprünglich ungewisser Entwicklungen. Dieser wissenschaftlich anerkannte Bewertungsfehler hat sich inzwischen weltweit in der Etablierung von Entscheidungsfreiräumen, die einer richterlichen Kontrolle entzogen werden, niedergeschlagen." (Seite 148)

Ein kleiner Wermutstropfen für die juristischen Leser ist vielleicht, dass die Dissertation am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Siegen eingereicht wurde und nicht an einer juristischen Fakultät.

Ökonomen liegen diese Fragestellungen ohnehin näher als den Juristen. Schließlich wurde Daniel Kahnemann für „das Einführen von Einsichten der psychologischen Forschung in die Wirtschaftswissenschaft, besonders bezüglich Beurteilungen und Entscheidungen bei Unsicherheit“ im Jahr 2002 und Richard Thaler für seine Beiträge zur Verhaltensökonomik 2017 mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften bedacht.

Ein großer Wermutstropfen für die Geschäftsführer ist, dass es nicht nur die Insolvenzverschleppungshaftung gibt, sondern beispielsweise auch die aufgrund eines existenzvernichtendem Eingriffs. Hierzu schreibt Gotthardt:

"Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Geschäftsleitung der vorbeschriebenen neuen Haftungsausweitung aufgrund wrongful trading nur entgehen kann, wenn sie anhand umfassender Prüfungen der Liquiditätslage der Gesellschaft sicherstellt, dass durch geplante Zahlungen an die Gesellschafter die Zahlungsfähigkeit weder aktuell, noch in absehbarer Zukunft in Frage gestellt wird" (Seite 156)

Und leider ist es trotz aller Haftung so, wie Justus Gotthardt am Anfang seiner Arbeit konstatiert:

"In jedem Fall zeigen die Insolvenzstatistiken hinsichtlich der Befriedigungsquoten der ungesicherten Insolvenzgläubiger jedoch, dass bisher kein wirksames gesetzliches Mittel gefunden wurde, die Verantwortlichen von krisenbefangenen Gesellschaften effektiv zu motivieren, rechtzeitig die Möglichkeiten der Sanierungsoptionen in der Insolvenz in Betracht zu ziehen, anstatt in weitgehender informatorischer Abschottung von der Außenwelt den Kampf um das Unternehmen bis zum Letzten zu führen." (Seite 35)

Vielleicht ist der größte Denkfehler in diesem Zusammenhang, zu denken, es wird schon gutgehen.

 


Weg

Insolvenz aber richtig: so vermeiden Sie Anfängerfehler!

Die Schwäbische Zeitung meldet, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Prüfung der Insolvenz des Pfullendorfer Küchenbauers Alno übernommen hat.

Die Behörde untersuche, ob es Hinweise auf eine mögliche Insolvenzverschleppung gibt. Die Gesellschafter des Unternehmens werfen dem ehemaligen Vorstandschef und der Finanzchefin vor, das volle Ausmaß der Unternehmenskrise verschwiegen zu haben. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Eigentümer andere Gläubiger benachteiligt haben.Read more