Bei dem Mandat das ich auf dem Tisch habe, geht es darum, den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH „aus dem Feuer“ zu bringen, sprich seine persönliche Haftung zu vermeiden.

Am Wochenende habe ich mich daher weniger dem örtlichen Schützenfest zugewandt, dafür aber umso mehr den Feinheiten der so genannten Insolvenzverschleppungshaftung, um ein wasserdichtes Konzept zu entwerfen.

Ein sehr einfaches Beispiel soll verdeutlichen, worum es geht:

Bei der Gesellschaft ist – sagen wir wegen eines Forderungsausfalls – Überschuldung eingetreten, ohne dass der Geschäftsführer dies so recht bemerkt hat, weil Buchhaltung „nicht so seine Sache“ ist. Da genügend liquide Mittel vorhanden sind, macht er „business as usual“, zahlt Gehälter, Lohnsteuer, Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und tilgt im normalen Rahmen einen Kredit. Außerdem bittet er einen Kunden, eine offene Rechnung statt auf das im Haben geführte Konto bei S-Kasse auf das im Soll geführte Konto bei Y-Bank zu zahlen.

Potentielle Haftungsfolge für den Geschäftsführer: Er muss sämtliche Zahlungen aus eigener Tasche an den späteren Insolvenzverwalter erstatten und „darf“ den von ihm gezahlten Erstattungsbetrag zur Insolvenztabelle anmelden, bekommt also allenfalls eine Quote.

Ausgangspunkt dieser Haftung ist § 64 GmbH-Gesetz, der bestimmt, dass die Geschäftsführer „der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet sind, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden„.

Diese Vorschrift ist weder dogmatisch noch in der Anwendung besonders einfach. Noch schwieriger wird das Ganze aber, weil der Gesetzgeber gelegentlich die Definition der Überschuldung ändert – gerne auch kurzfristig.

Bis zum 17.10.2008 hieß es in § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO):

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.“

Im Klartext: Wenn sich auch unter Ansatz von Fortführungswerten eine Unterdeckung ergibt, ist die Gesellschaft auf jeden Fall überschuldet und der Geschäftsführer muss Insolvenzantrag stellen, wenn er sich nicht ersatzpflichtig machen will.

Ab dem 18.10.2008 hat der Gesetzgeber dann – zunächst befristet bis zum 31.12.2010 und nun verlängert bis zum 31.12.2013 – umgeschwenkt, um zu verhindern, dass Betriebe die „an sich“ weiterexistieren könnten, wegen der Folgen der Finanzkrise insolvenzantragspflichtig werden.

Im geänderten § 19 InsO heißt es seither:

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

Das bedeutet, solange das Unternehmen vermutlich weiterlaufen kann, ist es jedenfalls nicht überschuldet.

Ab dem 01.01.2014 macht das Gesetz dann wieder einen Salto zurück und alles soll wieder so sein wie vorher, sprich, die Überschuldungsbilanz mit (maximal) Fortführungswerten ist maßgebend.

Das Problem für die Geschäftsführer ist, dass zum nächsten Jahreswechsel aufgrund einer automatischen Gesetzesänderung möglicherweise ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, obwohl sich im laufenden Betrieb der Gesellschaft nichts geändert hat, sondern im Gegenteil, sich die Situation verglichen mit, sagen wir 2009, vielleicht sogar schon wieder gebessert hat.

Der dringende Rat für alle Gesellschafter von möglicherweise krisenbehafteten GmbH: Fangen Sie am besten jetzt schon mit der Erstellung einer Überschuldungsbilanz an, damit genug Zeit bleibt, ggf. rechtzeitig die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Dann bleibt ihnen auch genug Geld, um beim nächsten Schützenfest zünftig zu feiern.

Nachtrag:
Mit Gesetz vom 11.12.2012 (BGBl. I 2012, S. 248, Artikl 18) wurde die Entfristung von § 19 Abs. 2 InsO aufgehoben. Damit bleibt die aktuelle Regelung dauerhaft enthalten.