Längere Zeit habe ich mich gefragt, warum viele CSU-Politiker eher wie Dorfbürgermeister auf mich wirken und in der Bundespolitik sonderbar deplatziert zu sein scheinen.

Jetzt ist mir klar geworden, dass es sich möglicherweise um ein statistisches Phänomen handelt.

Unterstellen wir – was natürlich keineswegs ausgemacht ist – dass (politisches) Talent in Deutschland und zwischen den Mitgliedern der Parteien in etwa gleich verteilt ist und einer Gaußverteilung entspricht, also dieser „Glocke“, die auf den alten 10 DM-Scheinen abgebildet war. Dann kann man – was auch Beobachtungen in der freien Wildbahn bestätigen – davon ausgehen, dass es nur eine geringe Zahl von guten, aufrichtigen Leuten mit Talent gibt.

Unterstellen wir weiter – und da wird es schon deutlich gewagter mit den Annahmen – dass in Parteien die guten Leute an die Spitze kommen: der Talentierteste hat dann das wichtigste Amt und je weniger wichtig das Amt, desto geringer das Talent des Amtsinhabers (ich gebe zu, da spricht auch die naive Hoffnung aus meinen Worten, dass die guten Leute die wichtigen Jobs machen).

Während Deutschland insgesamt rd. 82 Mio. Einwohner hat, sind es in Bayern rd. 12 Mio. Bayern hat also nur rd. 15% der Einwohner des gesamten Landes.

Die Folge davon ist, dass es in Bayern absolut weniger talentierte Politiker gibt – die Relation bleibt zwar unverändert, aber das ändert nichts daran, dass auf einen talentierten Politiker in Bayern ungefähr sechs talentierte Politiker im Rest des Landes kommen. Für die CSU ist das misslich, denn nachdem die wenigen Politiktalente in ihren Ämtern sind, müssen die restlichen Posten von mittelmäßigen Politikern bekleidet werden und wenn diese weg sind kommen die – na ja, Sie wissen schon.

Da die CSU auch nicht deutlich weniger Pöstchen zu besetzen hat als andere Parteien, bedeutet das auch, dass der Talentdurchschnitt in der CSU geringer ist als bei anderen Parteien. Der durchschnittliche CSU-Politiker ist also nur etwa ein siebtel so talentiert wie ein Politiker aus einer Partei die bundesweit antritt; also natürlich nur rein statistisch gesehen.

Zum Weiterlesen: Dass Menschen unterschiedliche Grundgesamtheiten intuitiv meist außer acht lassen, führt zum so genannten Prävalenzfehler und macht es fast unmöglich, Wahrscheinlichkeiten intuitiv einzuschätzen. In der Wikipedia lesen Sie ein Beispiel dazu zum DNA-Abgleich.

 

Nachtrag vom 18.02.2014:

Nachdem der Kollege Hoenig auf mein kleines mathematisches Bonmot verlinkt hatte, kommentierte dort Karsten Koch:

„Der vermeintliche Statistiker macht einen Fehler: Bayern hat im Durchschnitt weniger talentierte Politiker als die gesamte Bundesrepublik. Das lässt keinen Schluss zu auf die durchschnittliche Talentierung der wenigen.“

Ich habe ihm wie folgt geantwortet, und hoffe, dass das Beispiel den Gedankengang klar(er) macht:

„Hallo Herr Koch,

das Talent in der Grundgesamtheit ist natürlich gleich verteilt – nicht aber bei den Politikern in Amt und Würden.

Dazu folgendes Beispiel: Nehmen wir an, das politische Talent ließe sich auf einer Skala mit Schulnoten einsortieren.

Wenn wir eine Normalverteilung haben, sollen in diesem Beispiel in Gruppe 1 (CSU aus Bayern) die Noten 1 und 6 jeweils einmal vertreten sein, die Noten 2 und 5 jeweils zwei Mal und die Noten 3 und 4 jeweils vier Mal.

In der sieben Mal größeren Grundgesamtheit von Gruppe 2 (Deutschland) wären es dann jeweils sieben Personen bei Note 1 und 6, vierzehn bei Note 2 und 5 und 28 Personen bei Note 3 und 4.

Nehmen wir dann an, dass 10 Posten zu besetzen sind und jeweils die talentiertesten Leute zum Zuge kommen, dann liegt der Durchschnitt in Gruppe 1 bei 2,9 ((1×1)+(2×2)+(4×3)+(3×4))÷10 und in Gruppe 2 bei 1,3 ((7×1)+(3×2))÷10; also eine knappe 3+ gegen eine 1-.

Es geht hier übrigens tatsächlich nur um Mathematik – mit isländischen Fußballern würde sich das ebenso gut verdeutlichen lassen. Wenn ich es recht bedenke, ist das auch ansonsten ein ganz guter Vergleich.“

Eine Literaturempfehlung an dieser Stelle: „Der Hund, der Eier legt“ von Hans-Peter Beck-Bornholdt und Hans-Hermann Dubben – dort geht es insbesondere um statistische Fehler bei klinischen Studien und um Fehlschlüsse in der Medizin (beide lehren am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf).

Und wenn Sie tatsächlich bis hier gelesen haben, hier noch ein Comic zum Thema.