Änderungen im Zivil- und Insolvenzrecht zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie
Just heute hat der Deutsche Bundestag einen Regierungsentwurf für ein „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ angenommen (Link zum Gesetzentwurf).
Damit werden wesentliche Weichen gestellt, um es Unternehmen zu ermöglichen, die aktuelle Situation zu überstehen. Hier ein kurzer Überblick über wesentliche Punkte:Read more
Klappt ein Freikaufen von der Insolvenzanfechtung? (BGH)
Ob eine Insolvenzanfechtung droht, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist in vielen Sanierungsgesprächen und -verhandlungen ein relevanter Punkt.
Eine Voraussetzung, damit Handlungen durch den Insolvenzverwalter angefochten werden können, ist, dass diese Handlung die Gläubiger benachteiligt hat (§ 129 InsO). Wenn beispielsweise der Schuldner an einen Gläubiger zahlt, werden dadurch die anderen benachteiligt.
Aber wie ist es zu beurteilen, wenn es am Ende keine Forderungen von Insolvenzgläubigern gibt? Oder andersherum gefragt: kann ein potentieller Anfechtungsgegner sich dadurch freikaufen, dass er die Insolvenzgläubiger befriedigt?
In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) am 14.02.2019 entschiedenen Fall (X ZB 25/17) ging es um folgenden Sachverhalt:
An die B waren nach dem Tod ihrer Mutter aus zwei Lebensversicherungsverträgen insgesamt rd. 33 T€ ausgezahlt worden. Da der B kein unwiderrufliches Bezugsrecht zugestanden hatte, hat der Insolvenzverwalter diese Auszahlung als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten.
Es gab nur einen Insolvenzgläubiger mit einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung von rd. 6 T€; dieser hat die Anmeldung zurückgenommen, nachdem die B seine Forderung befriedigt hatte.
In der Folge beantrage B die Einstellung des Verfahrens. Nachdem ihn das Gericht dazu aufgefordert hatte, beantragte der Insolvenzverwalter die Festsetzung seiner Vergütung. In die Berechnungsmasse hatte der Verwalter auch die Höhe des Anfechtungsanspruchs einberechnet - zu Recht, wie der BGH meint.
Die Vergütung ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen. Einzubeziehen sind auch Vermögenswerte, die noch nicht verwertet worden sind.
Dies gilt allerdings nur in dem Umfang, in dem die Einziehung der Forderung zur Befriedigung aller Gläubiger - der Insolvenz- wie auch der Massegläubiger - erforderlich gewesen wäre. Nach Ansicht des BGH steht der Anfechtung auch nicht entgegen, dass nur ein einziger Insolvenzgläubiger vorhanden war. Weil die Begründung lesenswert ist, soll sie hier insoweit wiedergegeben werden (Rz 11 des Beschlusses):
Das Gesetz erklärt in § 129 Abs. 1 InsO Rechtshandlungen für anfechtbar, welche die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Damit wird aber keine Mehrzahl von Insolvenzgläubigern vorausgesetzt. Es soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit benachteiligt sein müssen (BT-Drucks. 12/2443 S. 157); es genügt nicht, dass nur einzelne Gläubiger aus dieser Gesamtheit benachteiligt werden. Nur in diesem Sinne trifft die Aussage zu, dass die Benachteiligung eines einzelnen Gläubigers nicht genügt (vgl. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 129 Rn. 46). Ist nur ein Insolvenzgläubiger vorhanden, stellt dieser die Gläubigergesamtheit dar. Seine Benachteiligung kann die Anfechtung einer Rechtshandlung rechtfertigen.
Ebenso wenig steht der Anfechtung entgegen, dass die weitere Beteiligte zu 2 während des Nachlassinsolvenzverfahrens die Forderung des einzigen Insolvenzgläubigers befriedigt hat. Der Anfechtungsanspruch entstand mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, einschließlich der unmittelbar durch die Zuwendung der Versicherungsleistungen bewirkten objektiven Gläubigerbenachteiligung. Die einmal gegebene Gläubigerbenachteiligung kann grundsätzlich nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert im Sinne einer vorweggenommenen Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs in das Vermögen des Schuldners zurückführt (BGH, Urteil vom 10. September 2015 - IX ZR 215/13, WM 2015, 1996 Rn. 15 mwN). Dies ist hier nicht geschehen.
Soweit der Bundesgerichtshof im Übrigen ausgeführt hat, die Insolvenzgläubiger würden nicht benachteiligt, wenn die Insolvenzmasse auch ohne Anfechtung und Rückgewähr des Erlangten ausreiche, um alle Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 19. September 1988 - II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 187; vom 20. Februar 2014 - IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 Rn. 20), ist damit der Fall gemeint, dass Insolvenzgläubiger vorhanden sind und die Masse groß genug ist, um zunächst die vorrangigen Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu decken und sodann sämtliche Insolvenzforderungen zu befriedigen. Damit nicht vergleichbar ist der hier gegebene Fall, dass die Masse nicht ausreicht, um die Masseverbindlichkeiten und den (einzigen) Insolvenzgläubiger zu befriedigen, und der Anfechtungsgegner ausschließlich die Forderung des Insolvenzgläubigers begleicht.
Mit Freikaufen war hier also nichts.
Im wirtschaftlichen Ergebnis musste B also nicht nur die Forderung des einzigen Insolvenzgläubigers begleichen, sondern auch alle Masseverbindlichkeiten - hier die Vergütung des Verwalters und die Gerichtskosten - und sich dabei so behandeln lassen, als habe der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch erfolgreich durchgesetzt.
Kurze Auffrischung: Hier haben wir den Unterschied zwischen Insolvenzforderungen und Masseforderungen anhand eines BAG-Urteils erklärt.
Masseforderung oder Insolvenzforderung - Alles oder Nichts (BAG)
In einem Urteil vom 14.3.2019 hat das Bundesarbeitsgericht sich mit der Frage befasst, ob eine durch Auflösungsurteil in einem Arbeitsrechtsstreit zuerkannte Abfindung eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO ist (6 AZR 4/18).
Das Ergebnis: Ja, immer dann, wenn der Insolvenzverwalter das durch § 9 Abs. 1 KSchG eingeräumte Gestaltungsrecht selbst ausübt, indem er erstmals den Auflösungsantrag stellt oder diesen erstmals prozessual wirksam in den Prozess einführt.
Dagegen handelt es sich um eine bloße Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO wenn der Insolvenzverwalter lediglich den von ihm vorgefundenen, bereits rechtshängigen Antrag des Schuldners weiterverfolgt und an dem so schon von diesem gelegten Rechtsgrund festhält.
Insolvenzforderung oder Masseforderung?
Der Fall gibt Anlass, sich noch einmal den Unterschied zwischen Insolvenzforderungen und Masseforderungen klar zu machen - und was es wirtschaftlich bedeutet.
Was Insolvenzforderungen sind, ergibt sich aus § 38 InsO. Dabei handelt es sich um Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet sind. Der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung sowie deren Fälligkeit sind für diese Einordnung nicht wichtig; entscheidend ist, dass ihr Rechtsgrund zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits gelegt war bzw. der den Anspruch begründende Tatbestand bereits vor der Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen war.
Hingegen sind Masseforderungen neben den Kosten des Verfahrens vor allem:
- die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründeten Verbindlichkeiten (§ 55 Abs.1 Nr. 1 InsO)
- Forderungen aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs.1 Nr.2 InsO);
- Forderungen aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse (§ 55 Abs.1 Nr.3 InsO);
- Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat (§ 55 Abs.2 S.2 InsO) und - für Sie weniger wichtig -
- Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind (§ 55 Abs.4 InsO).
Im obigen Verfahren war es so, dass der Anwalt des gekündigten Arbeitnehmers am 26.01.2015 Kündigungsschutzklage eingereicht hatte und drei Tage darauf, am 29.01.2015, das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet wurde. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.04.2015 hat der Kläger das zwischenzeitlich unterbrochene Verfahren gegen den zum Insolvenzverwalter bestellten Beklagten aufgenommen. Mit Schriftsatz vom 08.04.2016 hat der Beklagte erklärt, an dem Auflösungsantrag festzuhalten. Da dies nach Insolvenzeröffnung war, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit.
Und warum ist das wichtig?
Insolvenzforderungen werden in die Insolvenztabelle aufgenommen; das am Ende des Verfahrens zur Verfügung stehende Geld wird dann auf alle Insolvenzgläubiger gleichmäßig quotal verteilt (§ 187 ff. InsO)
Ende März hat destatis dazu eine Pressemeldung veröffentlicht: Bei Insolvenzverfahren in Deutschland, die im Jahr 2010 eröffnet und bis Ende 2017 beendet wurden, mussten die Gläubiger auf 96,1% ihrer Forderungen verzichten.
Bei Insolvenzverfahren von Unternehmen lag die Deckungsquote bei 6,2% (Ausfall 93,8%). Bei Verbraucherinsolvenzverfahren war sie mit 2,0% deutlich geringer (Ausfall 98%). Mit anderen Worten: wenn Sie nur eine Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden, sind die Chancen, dass Sie das Geld wiedersehen sehr gering.
Die Masseforderungen sind hingegen vorab zu befriedigen (§ 53 InsO). Erst wenn diese beglichen sind, kommen die Insolvenzgläubiger mit ihren Forderungen an die Reihe. Zudem haftet der Insolvenzverwalter wenn er sehenden Auges Masseverbindlichkeiten begründet, die er dann nicht erfüllen kann (§ 61 InsO).
Als Massegläubiger stehen Ihre Chancen als deutlich besser.
Fragen zum Insolvenzrecht? Sprechen Sie uns an.
Wie berechnet sich die Vergütung des Insolvenzverwalters
Mit Beschluss vom 01.03.2019 hat das Amtsgericht Charlottenburg die Vergütung und Auslagen des Sachwalters der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG festgesetzt (Aktenzeichen: 36a IN 4295/17). Der Beschluss kann über die Seite insolvenzbekanntmachungen aufgerufen werden.
Die Presse berichtet, dass es um rd. 22 Mio. € netto geht. Das finden offenbar nicht alle Gläubiger angemessen - zumindest ein Gläubiger hat hiergegen Beschwerde eingelegt.
Aber wie berechnet sich die Vergütung in Insolvenzverfahren überhaupt?
Vergütung des Insolvenzverwalters
Am einfachsten ist es, mit der Vergütung des Insolvenzverwalters anzufangen. Rechtsgrundlage ist die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV).
Berechnungsgrundlage für die Vergütung ist der Wert der Insolvenzmasse. Dabei gibt es ein paar Besonderheiten in § 1 Abs.2 InsVV auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll.
Auf die Berechnungsgrundlage wird gemäß § 2 InsVV die folgende Staffelvergütung angewendet, um die so genannte Regelvergütung zu ermitteln:
- von den ersten 25.000 Euro der Insolvenzmasse 40 vom Hundert,
- von dem Mehrbetrag bis zu 50.000 Euro 25 vom Hundert,
- von dem Mehrbetrag bis zu 250.000 Euro 7 vom Hundert,
- von dem Mehrbetrag bis zu 500.000 Euro 3 vom Hundert,
- von dem Mehrbetrag bis zu 25.000.000 Euro 2 vom Hundert,
- von dem Mehrbetrag bis zu 50.000.000 Euro 1 vom Hundert,
- von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,5 vom Hundert.
Bei einer Bemessungsgrundlage von 700.000 Euro beträgt die Regelvergütung 41.750 Euro netto (25.000 Euro * 40% + 25.000 Euro * 25% + 200.000 Euro * 7% + 250.000 Euro * 3% + 200.000 Euro * 2%).
Hinzu kommen Zu- oder Abschläge, die in § 3 InsVV geregelt sind. Zuschläge können beispielsweise geltend gemacht werden, wenn Unternehmen fortgeführt wurden oder arbeitsrechtliche Fragen den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben. In den einschlägigen Kommentaren werden dutzende Zuschlagsgründe dargestellt.
Im Fall der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG hat der Verwalter eine ganze Reihe von Zuschlägen beantragt, unter anderem aufgrund mehrerer Standorte, auch im Ausland, einer weit überdurchschnittlichen Unternehmensgröße, Aufnahme eines Massedarlehens in erheblicher Höhe, Zusammenarbeit mit dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss, international geführter, besonders aufwendiger Investorenprozess und Vorbereitung und Begleitung einer übertragenden Sanierung. Unter Berücksichtigung etwaiger Überschneidungen und eines Abschlags wegen der vorzeitigen Beendigung des Amtes macht der Verwalter einen Zuschlag von 65% geltend.
Dieser Zuschlag wird auf die Regelvergütung angewendet - im obigen Beispiel würde die Vergütung 68.887,50 Euro netto betragen (41.750 Euro * 1,65).
Neben dieser Vergütung erhält der Verwalter seine Auslagen ersetzt. Dabei kann er entweder die tatsächlich entstandenen Auslagen geltend machen oder einen Pauschsatz fordern, der typischerweise 30 % der Regelvergütung (ohne Zuschläge) beträgt - im obigen Beispiel also 12.525 Euro.
Damit betragen Honorar und Auslagen in unserem Beispiel 81.412,50 Euro netto, 96.880,88 Euro brutto.
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
Wenn es einen vorläufigen Insolvenzverwalter gegeben hat, erhält dieser eine separate Vergütung - auch wenn es die gleiche Person war, wie der Insolvenzverwalter.
Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält nach § 63 Abs.2 InsO in der Regel 25 % Prozent der (Regel-)Vergütung des Insolvenzverwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Auch hierbei können Zu- und Abschläge entsprechend § 3 InsVV geltend gemacht werden.
Vergütungstechnisch interessant ist, dass in die Berechnungsmasse für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auch der Wert der mit Aus- und Absonderungsrechten belasteten Gegenstände eingerechnet wird, wenn der Insolvenzverwalter sich in erheblichem Umfang mit diesen Gegenständen befasst hat (§ 11 InsVV).
Da die vorläufige Insolvenzverwaltung meist nicht länger als drei Monate dauert, sind die Auslagen dabei regelmäßig gedeckelt aus 250 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit (§ 8 Abs.3 InsVV).
Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters
Und damit sind wir schließlich wieder bei Air Berlin.
Die Vergütung des Sachwalters - um diese ging es hier - regelt § 12 InsVV.
Der Sachwalter erhält gemäß § 12 Abs. 1 InsVV 60 % der Regelvergütung eines Insolvenzverwalters. Der vorläufige Sachwalter erhält - wie der vorläufige Insolvenzverwalter - eine Vergütung von 25 % der Vergütung eines Insolvenzverwalters.
In beiden Fällen können Zu- und Abschläge nach § 3 InsVV und Auslagen nach § 8 InsVV hinzukommen.
Die dargestellten Beträge müssen berücksichtigt werden, wenn darüber nachgedacht wird, ob ein Insolvenzverfahren ein sinnvoller Weg sein kann.
Hier haben wir auch schon über die Vergütung in Insolvenzverfahren berichtet:
- Wieviel verdient ein Insolvenzverwalter? Frühjahrsdialog des NIVD in Wiesbaden
- Kein Inflationsausgleich für Insolvenzverwalter (BGH)
- Vergütung für vorläufige Insolvenzverwalter
Herausgabe von Anwaltsakten in der Insolvenz (Falle für Mandanten)
Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet, seinem Mandanten auf Verlangen die gesamte Handakte herauszugeben.
Das kann allerdings für Unternehmer auch zum Problem werden, nämlich dann, wenn das Mandat durch ein Unternehmen erteilt wurde und dieses später insolvent wird.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens gehen die Ansprüche aus dem Mandatsverhältnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über (siehe BGH, Beschluss vom 18.6.2018 – AnwZ (Brfg) 61/17; BGH, Urt. v. 30.11.1989 – III ZR 112/88).
Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter befugt ist, beispielsweise Akten herauszuverlangen.
Dabei liegt das Problem darin, dass vor der Insolvenzeröffnung die Geschäftsführer der Organe der Gesellschaft mit dem Anwalt möglicherweise auch über Themen gesprochen haben, die sie nun gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht gerne offenlegen, weil er dies für die Durchsetzung von Haftungsansprüchen nutzen kann.
In seiner Entscheidung vom 17.5.2018 - IX ZR 243/17 – erläutert der Bundesgerichtshof (BGH) dass ausnahmsweise eigene Interessen des Anwalts oder Geheimhaltungsinteressen Dritter dem Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters entgegenstehen können.
In der hier relevanten Konstellation kommt ein Auskunftsverweigerungsrecht des Anwalts nur in Betracht, wenn zwischen Anwalt und Geschäftsführer eine besondere Vertrauensbeziehung bestanden hat, die individuell begründet worden ist, z.B. weil der Geschäftsführer ausdrücklich auch um persönliche Beratung gebeten hat oder weil daneben auch ein Mandatsverhältnis mit dem Geschäftsführer besteht.
Dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt, muss der Anwalt so detailliert darlegen, dass der das Richter dies beurteilen kann.
Für den GmbH-Geschäftsführer, der in einer Krise der Gesellschaft einen Beratungsauftrag für die GmbH erteilt, bedeutet dass, dass in dem Mandatsauftrag jedenfalls auch die Beratung der Organe vereinbart sein sollte oder der Geschäftsführer den Anwalt gleichzeitig auch mit der eigenen Beratung beauftragen sollte.
Guter Rat zahlt sich aus.
Betriebsübernahme aus der Insolvenz - Haftung des Erwerbers
Nach § 613a BGB gehen bei einem Betriebsübergang die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen automatisch auf den Erwerber über.
Der Erwerber, der ein insolventes Unternehmens vom Insolvenzverwalter übernimmt, ist im Vorteil: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist seine Haftung hinsichtlich der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung stark eingeschränkt: er haftet nämlich nur für Versorgungsansprüche oder erdiente Anwartschaften, die nach der Insolvenzeröffnung fällig werden.
Dies kann dazu führen, dass Arbeitnehmer niedrigere Betriebsrenten bekommen. Zwei Arbeitnehmer, die deswegen keinen bzw. einen geringeren Anspruch auf eine Betriebsrente erhalten haben, haben gegen den neuen Arbeitgeber geklagt - nach derzeitiger Rechtslage sind sie chancenlos, weil der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung im Insolvenzrecht den Schutz der Arbeitnehmer aushebelt.
Die einschränkende Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB verstößt allerdings möglicherweise gegen europäisches Recht. Die Frage ob dies so ist, hat der dritte Senat des BAG nun in zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.
Die zugehörigen Beschlüsse 3 AZR 139/17 (A) und 3 AZR 878/17 (A) des BAG vom 16.10.2018 sind noch nicht veröffentlicht; hier ist allerdings die entsprechende Pressemeldung des BAG zu finden.
Sollte der Gerichtshof der EuGH die Bedenken des BAG teilen, könnte dies die Übertragung von Unternehmen aus der Insolvenz deutlich schwieriger machen, da der Erwerber dann auch höhere Verpflichtungen übernehmen müsste.
Mängel im Insolvenzrecht - Schutzschirmverfahren muss besser werden
Mittlerweile werde ich fast immer, wenn es um eine Unternehmenskrise geht, auf das Schutzschirmverfahren und die Eigenverwaltung angesprochen.
In den allermeisten Fällen, sind beide Verfahren aber leider weder möglich, noch geeignet - trotzdem halten viele es für eine tolle Möglichkeit, einfach und schnell aus der Krise herauszukommen.
"Schuld" daran, sind auch größere Kanzleien, die dies als Geschäftsmodell für sich erkannt haben und damit über die Lande ziehen und offensiv dafür werben. Ein schönes Beispiel dafür, wie das bei Trigema gelaufen ist findet sich hier.
Als die entsprechenden Instrumente 2012 mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen "erfunden" wurden, wurde gleich vereinbart, nach fünf Jahren zu prüfen, ob alles funktioniert wie erhofft.
Nun berichtet die Presse (hier die FAZ, dort das Handelsblatt) über das Ergebnis der im Auftrag des Bundesjustizministerium erstellten aber noch unveröffentlichten Studie.
Diese kommt zu dem Ergebnis, dass das mit dem neuen § 270b in die Insolvenzordnung aufgenommene Schutzschirmverfahren und die Eigenverwaltung Mängel aufweisen.
In den ersten fünf Jahren nach der Einführung des Gesetzes habe es nur gut 1.600 ESUG-Verfahren mit Eigenverwaltung gegeben - gerade einmal rd. 3,5 % an allen deutschen Insolvenzverfahren. Vor allem bei größeren Unternehmen wurde das Verfahren angewandt, mit mehr als 50 Beschäftigten und ab zehn Millionen Euro Jahresumsatz.
Das Handelsblatt schreibt:
Eine „eher skeptische Gesamtbewertung“ des ESUG wird laut Studie „durch die Erfahrung geprägt, dass die vorläufige Eigenverwaltung bei dafür nicht geeigneten Schuldnern angeordnet wurde und dass mit einer Eigenverwaltung hohe Zusatzkosten verbunden gewesen. Vielfach sei festgestellt worden, dass ungeeignete Verfahren mit einer vorläufigen Eigenverwaltung starten und dann in ein Regelverfahren übergehen. Dieser „Wechsel der Verfahrensart führt zu Disruptionen und wirkt zudem kostenerhöhend“, heißt es in dem Bericht. Deutliche Vorteile des Schutzschirmverfahrens werden „eher nicht gesehen“.
Ganz im Ernst: keinen der sich damit auskennt, überrascht dieser Befund. Lassen Sie sich besser seriös beraten. Am besten von uns.
Unternehmen statt unterlassen (Unternehmensrettung)
Vor auf den Tag genau sechs (!) Monaten hat mich ein Unternehmer angerufen. Er brauche Hilfe - sofort. Er hatte nur begrenzt Überblick über seine Zahlen, aber so viel war klar: seine Unternehmensgruppe war in ernsten Schwierigkeiten.
Die Verbindlichkeiten überstiegen das Vermögen deutlich. Die Liquidität war knapp und die Lieferanten wollten nicht mehr so recht. Ein Tochterunternehmen produzierte jedem Monat Verluste und ein zweites war kurz davor, eingestellt zu werden.
Die Banken waren - wie üblich - mit Globalzessionen und Raumsicherungsübereignung gesichert. Außerdem hatten sie sich Grundschulden an der privaten Immobilien und eine Bürgschaft des Inhabers einräumen lassen. Mit anderen Worten: im Falle einer Insolvenz wäre er auch persönlich ruiniert.
Wir haben die nächsten Schritte genau besprochen und auch, welche Informationen er zusammenstellen soll, damit ich mit seinen Gläubigern eine Lösung aushandeln kann und wir eine übertragende Sanierung hinbekommen. Danach hat er sich nicht mehr bei mir gemeldet.
Heute hat er mich angerufen: von den besprochenen Dingen hat er nichts erledigt, aber das Finanzamt hat wegen Umsatzsteuerschulden das Konto gepfändet, zahlen kann er nicht. Was ich (!) jetzt tun könnte?
Sechs Monate verloren - in der Krisenberatung ist das eine Ewigkeit.
Da kann ich nur noch meine Harry Potter-Ausrüstung aus dem Keller holen. Tarantallegra!
Wann es schlauer ist, bei einem Insolvenantrag nichts zu tun
Es gibt so ein paar Klassiker, die immer mal wiederkommen.
Einer dieser Wiedergänger ist, dass ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt, der Schuldner daraufhin seine Schulden bei diesem Gläubiger bezahlt und dann feststellen muss, dass die Zahlung auf den Insolvenzantrag keine Auswirkungen hat, sondern das Verfahren einfach weiterläuft.
Bei Insolvenzanträgen von Krankenkasse ist das Standard - darüber hatte ich vor rund einem Jahr schon einmal geschrieben.
https://www.schnee-gronauer.de/vorsicht-bei-zahlung-nach-insolvenzantrag/
Nun hatte ich wieder so eine Sache auf dem Tisch.
Die Mandanten wollten das auf Betreiben der AOK angeordnete vorläufige Insolvenzverfahren unbedingt loswerden. Ich habe daraufhin mit der Krankenkasse verhandelt und diese hat sich breitschlagen lassen, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, sobald die relativ geringen Rückstände bezahlt sind. Ein Bisschen stolz war ich schon.
Gezahlt haben meine Mandanten am Ende aber doch nicht, denn sie haben meinen Rat beherzigt, und noch einmal darüber nachgedacht, ob es überhaupt eine so gute Idee ist, auf Teufel komm raus an dem Unternehmen festzuhalten.
Ich hatte ihnen nämlich geschrieben:
Nach Antragsrücknahme würden die Sicherungsmaßnahmen aufgehoben werden.
Allerdings müssten Sie die Kosten der vorläufigen Verwaltung tragen. Bemessungsgrundlage ist der Wert der verwalteten Masse - also insbesondere die erzielten Einnahmen, der Wert der Maschinen etc. Sie müssen mit einer Vergütung für den vorläufigen Verwalter in Höhe von rd. 15% der verwalteten Masse rechnen und mit Gerichtskosten in Höhe von etwa 1,5% der verwalteten Masse.
Allerdings rate ich Ihnen dringend, vor einer Entscheidung zumindest eine grobe Liquiditäts- und Rentabilitätsplanung aufzusetzen, damit nicht in ein paar Wochen das gleiche Problem wieder auftritt.
Was folgte, war eine kritische Analyse des Geschäftsmodells - und das war nicht tragfähig. Da auch keine Anfechtungs- und Haftungsrisiken für die Inhaber bestanden, war hier ein "Ende mit Schrecken" für meine Mandanten viel billiger als ein "Schrecken ohne Ende" - und das gesparte Geld können Sie in ein neues Unternehmen stecken.
Und wenn sie vorher unser Krisenpaket „Last-Minute“ gebucht hätten, wäre es noch billiger geworden.
Was muss in einen Sanierungsplan und was nicht? BGH gibt Orientierung
Das Thema Vorsatzanfechtung in der Insolvenz ist ein Dauerbrenner.
Der Tatbestand setzt einen doppelten Vorsatz voraus: Zum einen muss der Schuldner den Vorsatz haben, seine Gläubiger zu benachteiligen - dabei reicht es, wenn er in Kauf nimmt, dass manche Gläubiger nicht alles bekommen. Zum anderen muss der Leistungsempfänger den Gläubigervorsatz des Schuldners kennen. Wenn der Leistungsempfänger weiß, dass bei dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit mindestens droht, wird dies vermutet.
Nach allgemeiner Ansicht spricht die drohende Zahlungsunfähigkeit aber dann nicht für einen Vorsatz, wenn Grundlage der Zahlung ein vom Schuldner erstellter - im Ergebnis gescheiterten - Sanierungsplan war.
Welche Anforderungen, an einen solchen Sanierungsplan gestellt werden, ist allerdigs umstritten.
Das mit unendlicher Weisheit gesegnete Institut der Wirtschaftsprüfer meint und schreibt in seinem IDW S6-Standard, dass es erforderlich sei, dass das zu sanierende Unternehmen nach Abschluss der Sanierung wieder eine marktübliche Rendite erwirtschaften kann. Unter Bezugnahme auf die Meinung des IdW hatte der BGH im Jahr 2016 erfordert, dass durch die Sanierung die Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit wiederhergestellt wird und eine positive Fortführungsprognose begründet wird (BGH vom 12.05.2016, IX ZR 65/14, Rn 41).
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung zum bis zum 05.04.2017 anzuwendenden § 133 InsO (Urteil vom 14.06.2018 - IX ZR 22/15) scheint der BGH davon jedoch teilweise abzurücken und - zumindest in manchen Konstellationen - schon die dauerhafte Abwendung der Insolvenzreife genügen zu lassen.
Interessant ist, dass der BGH noch einmal die Anforderungen an Sanierungspläne zusammenfasst. Das ist zwar nicht direkt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, aber eine ganz gute Orientierungshilfe.
Er stellt klar, dass an einen solchen Sanierungsplan keine bestimmten formalen Anforderungen zu stellen sind. Erforderlich sei aber, dass das Konzept:
- inhaltlich schlüssig ist,
- von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht,
- mindestens in den Anfängen in die Tat umgesetzt ist und
- die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (die bloße Hoffnung des Schuldners genügt nicht)
Bei einem Sanierungsvergleich müssten weiter
- Art und Zahl der Gläubiger,
- die erforderliche Quote des Erlasses der Forderungen,
- die erforderliche Zustimmungsquote und
- die Behandlung nicht verzichtender Gläubiger
festgelegt werden.
Soweit es darauf ankommt, sind auch Art und Höhe des einzuwerbenden frischen Kapitals und die Chance, dieses zu gewinnen, darzustellen.
Die teilweise ausufernde Rechtsprechung und die darauf folgende öffentliche Empörung hatte im Jahr 2017 zu einer Gesetzesänderung geführt, die für ab dem 05.04.2017 eröffnete Insolvenzverfahren gilt. In dem jetzigen § 133 Abs. 3 Nr. 2 InsO gibt es Privilegierungen für Zahlungen, die nach der Gewährung von Zahlungserleichterungen erfolgen (Synopse bei buzer.de). Hier bleibt abzuwarten, was die Rechtsprechung daraus macht.