In einem Urteil vom 14.3.2019 hat das Bundesarbeitsgericht sich mit der Frage befasst, ob eine durch Auflösungsurteil in einem Arbeitsrechtsstreit zuerkannte Abfindung eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO ist (6 AZR 4/18).
Das Ergebnis: Ja, immer dann, wenn der Insolvenzverwalter das durch § 9 Abs. 1 KSchG eingeräumte Gestaltungsrecht selbst ausübt, indem er erstmals den Auflösungsantrag stellt oder diesen erstmals prozessual wirksam in den Prozess einführt.
Dagegen handelt es sich um eine bloße Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO wenn der Insolvenzverwalter lediglich den von ihm vorgefundenen, bereits rechtshängigen Antrag des Schuldners weiterverfolgt und an dem so schon von diesem gelegten Rechtsgrund festhält.
Insolvenzforderung oder Masseforderung?
Der Fall gibt Anlass, sich noch einmal den Unterschied zwischen Insolvenzforderungen und Masseforderungen klar zu machen – und was es wirtschaftlich bedeutet.
Was Insolvenzforderungen sind, ergibt sich aus § 38 InsO. Dabei handelt es sich um Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet sind. Der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung sowie deren Fälligkeit sind für diese Einordnung nicht wichtig; entscheidend ist, dass ihr Rechtsgrund zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits gelegt war bzw. der den Anspruch begründende Tatbestand bereits vor der Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen war.
Hingegen sind Masseforderungen neben den Kosten des Verfahrens vor allem:
- die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründeten Verbindlichkeiten (§ 55 Abs.1 Nr. 1 InsO)
- Forderungen aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs.1 Nr.2 InsO);
- Forderungen aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse (§ 55 Abs.1 Nr.3 InsO);
- Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat (§ 55 Abs.2 S.2 InsO) und – für Sie weniger wichtig –
- Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind (§ 55 Abs.4 InsO).
Im obigen Verfahren war es so, dass der Anwalt des gekündigten Arbeitnehmers am 26.01.2015 Kündigungsschutzklage eingereicht hatte und drei Tage darauf, am 29.01.2015, das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet wurde. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.04.2015 hat der Kläger das zwischenzeitlich unterbrochene Verfahren gegen den zum Insolvenzverwalter bestellten Beklagten aufgenommen. Mit Schriftsatz vom 08.04.2016 hat der Beklagte erklärt, an dem Auflösungsantrag festzuhalten. Da dies nach Insolvenzeröffnung war, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit.
Und warum ist das wichtig?
Insolvenzforderungen werden in die Insolvenztabelle aufgenommen; das am Ende des Verfahrens zur Verfügung stehende Geld wird dann auf alle Insolvenzgläubiger gleichmäßig quotal verteilt (§ 187 ff. InsO)
Ende März hat destatis dazu eine Pressemeldung veröffentlicht: Bei Insolvenzverfahren in Deutschland, die im Jahr 2010 eröffnet und bis Ende 2017 beendet wurden, mussten die Gläubiger auf 96,1% ihrer Forderungen verzichten.
Bei Insolvenzverfahren von Unternehmen lag die Deckungsquote bei 6,2% (Ausfall 93,8%). Bei Verbraucherinsolvenzverfahren war sie mit 2,0% deutlich geringer (Ausfall 98%). Mit anderen Worten: wenn Sie nur eine Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden, sind die Chancen, dass Sie das Geld wiedersehen sehr gering.
Die Masseforderungen sind hingegen vorab zu befriedigen (§ 53 InsO). Erst wenn diese beglichen sind, kommen die Insolvenzgläubiger mit ihren Forderungen an die Reihe. Zudem haftet der Insolvenzverwalter wenn er sehenden Auges Masseverbindlichkeiten begründet, die er dann nicht erfüllen kann (§ 61 InsO).
Als Massegläubiger stehen Ihre Chancen als deutlich besser.
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