Seit rund zwei Wochen gibt es nun unsere kostenlose Telefonsprechstunde für Unternehmer zu COVID-19.

In dieser Zeit haben wir eine ganze Reihe von Gesprächen geführt. Nr. 1 der Rangliste der gestellten Fragen war:

„Ich habe kaum noch Einnahmen; muss ich einen Insolvenzantrag stellen?“

Dazu gibt es leider nur eine typische Anwaltsantwort: Es kommt darauf an.

Normalerweise muss der Geschäftsführer einer juristischen Person (UG, GmbH, AG) oder von Unternehmen bei denen die organschaftlichen Vertreter ihrerseits Gesellschaften sind bei denen keine natürliche Person haftet (insbesondere UG/GmbH & Co. KG) einen Insolvenzantrag stellen, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist und eine Fortführung des Unternehmens nach den Umständen nicht überwiegend wahrscheinlich ist (§ 15a InsO).

Als Faustregel gilt dabei, dass die Zahlungsunfähigkeit früher einritt als man denkt und oft, bevor der Geschäftsführer es merkt: nämlich schon dann, wenn die liquiden Mittel nicht ausreichen, um die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen (§ 17 InsO).

Durch das am 27.03.2020 im Bundesgesetzblatt verkündete „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVInsAG) wurde die Antragspflicht zeitlich befristet ausgesetzt.

Die zentrale Vorschrift in Artikel 1 § 1 des COVInsAG lautet:

„Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Absatz 2 BGB ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2 (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.“

Grundsätzlich kann man also erst einmal Entwarnung geben: Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit ist der Regelfall.

Die Geschäftsführer haben aber auch während der vorübergehenden Einschränkung der Insolvenzantragspflichten nach wie vor alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Existenz der Gesellschaft zu treffen. Die Liquidität ist ggf. durch geeignete Maßnahmen, unter anderem auch durch das Paket staatlicher Hilfsmaßnahmen, bestmöglich zu sichern. Zur Verfügung stehende Unterstützungsleistungen sind rechtzeitig zu prüfen und zu beantragen (Tresselt/Kienast: COVID 19 und insolvenzrechtliche Krisen-Compliance, COVuR 2020, 21).

Allerdings steckt der Teufel im Detail: Die Aussetzung greift nämlich dann nicht, wenn

  1. die Zahlungsunfähigkeit nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht oder
  2. generell keine Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen.

Das bedeutet, wenn die Insolvenz keine Folge der Pandemie ist oder das Unternehmen bereits Ende des Vorjahres (unerkannt) zahlungsunfähig war, muss ein Antrag gestellt werden.

Problematisch ist, wenn nicht ganz eindeutig ist, was den Auslöser gegeben hat. Warum hat der Kunde einen Auftrag nicht erteilt? Warum hat der Kunde nicht gezahlt? Hier hilft dem Unternehmer zwar die Vermutungsregelung weiter, wonach im Zweifel die Insolvenzreife auf der Pandemie beruht, allerdings ist unklar, wen letztlich die Beweislast trifft und welcher Maßstab bei der Prüfung anzulegen ist.

Die zweite Falle ist, dass auch dann ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, wenn auch nach dem Ende der Pandemie keine Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Das Problem wird durch die zeitlich befristete Stundung von Mieten und Tilgungen noch größer.

Ziel des COVInsAG ist es nur. den betroffenen Unternehmen Zeit zu geben, um eine Sanierungslösung zu finden. Diese Sanierungsmaßnahmen müssen für jedes Unternehmen individuell geprüft und erarbeitet werden. Das bedeutet, dass jedes Unternehmen bis zum 30.09.2020 – dann endet die Aussetzung der Antragspflicht – ein Sanierungskonzept erarbeiten muss.

Für die „Aussichten …, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen“, in § 1 COVInsAG gibt es keine zeitlichen Vorgaben. Allerdings ergibt sich aus dem Gesetz, das am dem 01.10.2020 oder – bei der zu erwartenden Verlängerung – ab dem 01.04.2021 auch für Unternehmen, die von den Folgen der Pandemie betroffen sind, eine Insolvenzantragspflicht, wenn zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit fortbesteht. Dieser Tag dürfte demnach das Ende des Betrachtungszeitraumes für die Möglichkeit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit markieren (Nerlich/Römermann/Römermann COVInsAG § 1 Rn. 29-34).

Das bedeutet auch, Unternehmen, deren Geschäftsmodell nicht funktioniert, deren Ertäge nicht ausreichen, um die auflaufenden Verbindlichkeiten zu tilgen oder bei denen die Fortführung aus anderen Gründen kritisch ist, müssen trotz COVInsAG einen Insolvenzantrag stellen. Tun sie das nicht, macht sich der Geschäftsführer strafbar und haftet privat.

Hier steht zu befürchten, dass es im kommenden Jahr eine Fülle von Ermittlungs- und Insolvenzverfahren geben wird.