Das Verhältnis von Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht zum Insolvenzrecht bleibt spannend, wie das folgende Beispiel zeigt.

Rückständiges Gehalt = Nachrangforderung

Wenn ein Unternehmen insolvent wird, können Arbeitnehmer Ihre Forderungen zur Tabelle anmelden und bekommen dann wie die anderen Insolvenzgläubiger eine Quote (§ 38 InsO).

Erst wenn alle „normalen“ Gläubiger befriedigt sind, kommen die so genannten Nachranggläubiger dran (§ 39 InsO) und davon wiederum die Gesellschafter die der Gesellschaft ein Darlehen gewährt haben zum Schluss. Mit anderen Worten: diese gehen fast immer leer aus.

Was aber, wenn ein Gesellschafter zugleich Arbeitnehmer ist?

Mit diesem in der Praxis sehr häufigen Fall hat sich nun das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27.03.2014 zu Aktenzeichen 6 AZR 204/12 befasst.

Der Kläger – Gesellschafter und Arbeitnehmer – war als KFZ-Meister bei „seiner“ Gesellschaft beschäftigt, an der er ein Drittel der Anteile hielt. Das Arbeitsverhältnis endete im Jahr 2009. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 50.000 € rückständige Gehälter – teils aus 2006 – aufgelaufen, die er nicht eingefordert und die GmbH ihm nicht ausgezahlt hatte.

Da er sich mit den anderen nicht einigen konnte, erhob er Klage vor dem Arbeitsgericht Lingen. Über diese Klage war im Juni 2010, als die GmbH insolvent wurde, noch nicht entschieden.

Der Insolvenzverwalter hat die im Rang des § 38 InsO zur Tabelle angemeldete Forderung bestritten, der KFZ-Meister hat auf Feststellung der Forderung geklagt

Der Insolvenzverwalter war, wie das Bundesarbeitsgericht nun entschieden hat, im Recht, denn aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und der dort erfolgten Einbeziehung von Rechtshandlungen die einem Gesellschafterdarlehen „wirtschaftlich entsprechen“ folge, dass „Gesellschafterforderungen möglichst umfassend und lückenlos dem gesetzlichen Nachrang unterfallen sollen“.

Abonnieren SIe kostenlos unseren NewsletterWenn also ein Arbeitnehmer, der zugleich bei seiner Gesellschaft angestellt ist, Ansprüche auf Arbeitsentgelt über einen längeren Zeitraum nicht durchsetzt, handelt es sich um eine Stundung. Diese Stundung stellt eine Rechtshandlung dar, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht – die Forderungen sind deshalb im Insolvenzfall nachrangig.

Im Ergebnis wird der Arbeitnehmer-Gesellschafter hier also leer ausgehen und muss nicht nur seine Einlage von 100.000 € abschreiben, sondern bekommt auch das rückständige Gehalt nicht.

Und Insolvenzgeld?

Auch die Frage, ob der Gesellschafter denn wenigstens Insolvenzgeld (für maximal drei Monate) bekommt, ist übrigens kein Selbstgänger, da das Merkmal des „Arbeitsverhältnisses“ in § 165 SGB III problematisch sein kann.

Hier ist im Einzelfall zu prüfen, wie groß der Einfluss des Gesellschafters ist.

Indizien die gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses und damit gegen Insolvenzgeld sprechen sind beispielsweise eine Kapitalbeteiligung von 50 % und mehr oder eine Sperrminorität, Entscheidungsverantwortung für wesentliche Funktionen des Unternehmens, keine Weisungsgebundenheit bzw. nur bei außergewöhnlichen Geschäften, Urlaubsantritt ohne Genehmigung und bei Gesellschafter-Geschäftsführern die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot. Einen Eindruck gibt das Zusatzblatt für Gesellschafter/Geschäftsführer zum Antrag auf Insolvenzgeld der Bundesagentur.

Welche Probleme es beim Insolvenzgeld noch geben kann, hatten wir hier erläutert.

Weitere Aspekte

Wie gesagt: das Thema bleibt spannend! Auch in einer anderen Entscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht kürzlich den Regeln des Insolvenzrechts Vorrang eingeräumt (dazu hier).

Und das die GmbH alles andere als einfach ist, hatten wir auch schon mehrfach dargestellt.

Hier ging es um das Problem, dass der Gesellschafter einer GmbH für die er gebürgt hat am Ende manchmal der Dumme ist; hier um die Geschäftsführerhaftung im Allgemeinen und hier gibt es eine Anleitung für eine praktische Excel-Tabelle, die die Ansprüche nach § 64 GmbHG gegen den Gesellschafter (fast) alleine ausrechnet.