Insolvenzgeld ist eine feine Sache, denn damit gleicht die Arbeitsagentur rückständige Gehälter aus, wenn ein Unternehmen insolvent wird.

Die Rechtsgrundlage dafür ist § 165 SGB III, dessen Absatz 1 Satz 1 lautet „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.“ Es geht also um die letzten drei Monate in denen kein Gehalt gezahlt wurde – diese können auch eine längere Zeit vor dem Insolvenzereignis liegen.

Hierdurch gehen gleichzeitig alle Ansprüche gegen etwaige Dritte auf die Arbeitsagentur über (§ 169 SGB III bzw. § 115 Absatz 1 SGB X in Verbindung mit § 157 Absatz 3 Satz 1 SGB III).

Diese Ansprüche macht die Arbeitsagentur dann regelmäßig geltend. Dazu gehören Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB gegenüber dem Geschäftsführer, Ansprüche aus §§ 128, 160 HGB gegen (ausgeschiedene) Gesellschafter und Ansprüche aus § 613a BGB gegenüber dem Nachfolgeunternehmen (siehe hierzu Ziffer 11.5 Abs. 3 der DA-Verfahren, Seite 207 in diesem Dokument).

Die Haftung des Betriebsübernehmers ist ausdrücklich in § 613a Absatz 2 Satz 1 BGB geregelt. Dort heißt es: „Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner.“

Ein solcher Betriebsübergang liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn nur einzelne Wirtschaftsgüter des Unternehmens erworben werden; erforderlich ist vielmehr der Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit, also einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung (EuGH, Urteil vom 11.03.1997, C-13/95).

Danach ist ein Betriebsübergang jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Erwerber den bisherigen Betriebszweck mit dem bisherigen Personal, den Führungskräften der Arbeitsorganisation und den Betriebsmethoden sowie den Betriebsmitteln zu wesentlichen Teilen fortsetzt, wobei es – natürlich – auf eine Gesamtbewertung der Umstände ankommt. Ausreichen kann auch, wenn zwar die organisatorische Selbständigkeit des Betriebsteils verloren geht, aber die funktionale Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren erhalten bleibt (EuGH, Urteil vom 12.02.2009, C-466/07).

Ein Betriebsübergang liegt in der Regel nicht vor, wenn der bisherige Betrieb nach dem Erwerb von Betriebsmitteln in kleinerem Umfang und mit weniger Personal fortgeführt wird (BAG, Beschluss vom 26.06.2000, 8 ABR 44/99).

Kein Betriebsübergang ist auch dann gegeben, wenn der Betrieb vor der Übernahme tatsächlich vollständig eingestellt wurde. Eine Betriebseinstellung meint die vollständige auf eine gewisse Dauer gerichtete Aufgabe des Betriebszwecks unter Auflösung des bisherigen Funktionszusammenhangs aufgrund eines ernstlichen Willensentschlusses des Unternehmers. Abzugrenzen ist die Betriebsstilllegung von der Betriebsunterbrechung, wobei wiederum alle Umstände heranzuziehen sind.

Eine Privilegierung gilt für die Übernahme eines Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Für bis zur Insolvenzeröffnung entstandene Ansprüche ist eine Haftung des Übernehmers ausgeschlossen – die insolvenzrechtlichen Regelungen gehen hier vor. Die Arbeitsagentur muss daher die Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden (BAG, Urteil vom 20.06.2002, 8 AZR, 459/01).

Anders dagegen bei vorinsolvenzlichen „Vermögensverschiebungen“ (BAG, Urteil vom 28.04.1987, 3 AZR 75/86 – kostenpflichtig) oder wenn das Unternehmen im vorläufigen Insolvenzverfahren durch oder unter Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters veräußert wurde (BAG, Urteil noch zur KO vom 21.02.1990, 5 AZR, 160/89 – kostenpflichtig). In beiden Fällen besteht grundsätzlich eine Haftung des Übernehmers.

Damit einem eine Unternehmensübertragung im Vorfeld eines Insolvenzantrags nicht auf die Füße fällt, sollte man über diesen Punkt ggf. ein paar Minuten nachdenken.

Eine Lösung ist die tatsächliche Einstellung des bisherigen Unternehmens und ein nach einer Pause erfolgender Neustart, am besten verbunden mit einer (moderat) geänderten Ausrichtung des Unternehmens (die im Zweifel ohnehin erforderlich sein wird) und ggf. eine Anpassung des Personalstamms. Auch eine Aufteilung zwischen dem Erwerb der Produktionsfaktoren und dem Betrieb des Unternehmens kann sinnvoll sein.

Wie üblich gilt: keine Unterschrift ohne Anwalt.