Eine typische Krisensituation: Dem Arbeitgeber geht es finanziell nicht so gut, Löhne und Gehälter können nicht pünktlich gezahlt werden. Zunächst halten die Mitarbeiter still, aber irgendwann rumort es. Damit die Mitarbeiter „bei der Stange bleiben“, sprich, weiterhin ihre Arbeitsleistung erbringen, zahlt der Arbeitgeber das rückständige Gehalt, oder zumindest Teile davon.

So weit, so gut. Was die meisten Arbeitnehmer aber nicht wissen, ist, dass im Fall einer späteren Insolvenzeröffnung die Gefahr besteht, dass der Insolvenzverwalter die in der Krise bezahlten Löhne zurückfordert.

So auch in dem vom Bundesgerichtshof (BGH) am 10. Juli 2014 entschiedenen Fall (IX ZR 192/13):

Nachdem das Arbeitsentgelt für die Monate November und Dezember 2010 nicht vollständig gezahlt worden war, überwies die Schuldnerin am 5. Januar 2011 einen Betrag von 2.000 € an den Beklagten (Teilzahlung). Nun verlangt der Insolvenzverwalter im Wege der Insolvenzanfechtung die Erstattung dieser Zahlung.

Um es vorweg zu sagen: der Insolvenzverwalter hat verloren; dennoch ist das Urteil für Arbeitnehmer heikel, was man aber erst beim Lesen der Urteilsgründe merkt.

Hintergrund ist § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO).

Danach kann eine Rechtshandlung des Schuldners rückgängig gemacht werden (hier Rückzahlung des Gehalts), „wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.“

Das war hier alles gegeben. Fraglich war nur, ob es sich bei der Zahlung um ein so genanntes „Bargeschäft“ nach § 142 InsO handelt, also um „Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt“ – diese kann nicht nach § 130 InsO angefochten werden.

„Dieser Ausnahmeregelung“ – sagt der Bundesgerichtshgof – „liegt der wirtschaftliche Gesichtspunkt zugrunde, dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen.“

Beim Bargeschäft müssen Leistung und Gegenleistung zwar nicht Zug um Zug erbracht werden. Allerdings setzt das in der Vorschrift enthaltene Tatbestandsmerkmal „unmittelbar“ voraus, dass Leistung und Gegenleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden. Der hierfür unschädliche Zeitraum lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht allgemein festlegen; er hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs ab.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging davon aus, dass ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat. Erkennbares Ziel des BAG war, die Anfechtung von zu spät gezahlten Löhnen zu erschweren, um soziale Härten zu vermeiden.

Das sieht der BGH anders und wiederholt ausdrücklich seine frühere Rechtsprechung, nach der eine sich in verspäteten Entgeltzahlungen ausdrückende Kreditgewährung ein Bargeschäft in der Regel ausschließt, weil es gerade an einem engen zeitlichen Zusammenhang des Leistungsaustausches mangelt und es jedenfalls an einem unmittelbaren Leistungsaustausch fehlt, wenn monatlich fällige Lohnzahlungen zwei Monate nach Beendigung der damit korrespondierenden Arbeitstätigkeit erbracht werden.

Der Bundesgerichtshof hält die „die Arbeitnehmer einseitig begünstigende Auslegung des § 142 InsO durch das Bundesarbeitsgericht […] mit der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht [für] vereinbar“ (Rn 24). Das ist nicht ohne.

Auch der Auffassung, des Bundesarbeitsgerichts, ein etwaiges Existenzminimum des Arbeitnehmers mittels einer beschränkenden Auslegung der §§ 129 ff InsO anfechtungsfrei zu stellen, erteilt der BGH eine Absage (Rn 33). Es sei „nicht Aufgabe der Gläubigergemeinschaft, sondern des Staates, etwaige durch eine Insolvenz zu Lasten bestimmter Gläubiger hervorgerufene unzumutbare Härten auszugleichen“.

Was sollten Arbeitnehmer nun tun, wenn der Arbeitgeber nicht zahlt? Leider gibt es kein Patentrezept, aber abwarten ist jedenfalls kein guter Rat.

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