Von „stillen Reserven“ spricht man, wenn in einem Betriebsvermögen Gegenstände mit einem niedrigeren Wert in den Büchern stehen, als dem so genannten Teilwert. Dieser Teilwert in ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG definiert) als der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei davon auszugehen ist, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.

Diese stillen Reserven entstehen, weil Wirtschaftsgüter wie Maschinen oder Fahrzeuge abgeschrieben werden oder bei Grundstücken und Gebäuden Wertsteigerungen aufgetreten sind.

Wenn beispielsweise ein Firmenwagen zum Preis von 100.000,00 € angeschafft wird, kann der Kaufpreis über einen Zeitraum von 6 Jahren abgeschrieben werden – also rd. 16.667,00 € pro Jahr. Dieser Betrag wird als Aufwand verbucht und spiegelbildlich sinkt der Wert des Fahrzeugs. Nach sechs Jahren ist der Buchwert des Fahrzeugs auf einen Erinnerungswert von 1,00 € gesunken.

Tatsächlich hat das Fahrzeug aber natürlich nach wie vor einen Wert. Wenn Sie es beispielsweise für 20.000,00 € verkaufen könnten, ist das der Betrag der stillen Reserven.

Wenn ein Unternehmer sein Unternehmen nicht weiter betreiben will, kann er sein Gewerbe aufgeben oder verkaufen (wenn Sie über einen Unternehmensverkauf nachdenken, rufen Sie uns unbedingt an!). In diesen beiden Fällen kommt es zur Aufdeckung der stiller Reserven. Dieser Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn muss versteuert werden.

Eine weitere Variante ist die Betriebsverpachtung: dabei lässt der Unternehmer den Betrieb ruhen und vermietet diesen mit all seinen Betriebsgrundlagen. Dabei erzielt der ehemalige Unternehmer weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb, stille Reserven werden nicht aufgedeckt, ein Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn entsteht nicht und muss deshalb auch nicht versteuert werden.

Zu einem interessanten Teilproblem bei dieser Variante hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil vom 30.10.2019 geäußert (Aktenzeichen IV R 59/16).

In dem entschiedenen Fall führte – sehr vereinfacht – eine Kommanditgesellschaft einen Gewerbebetrieb bis zur Hälfte des betreffenden Jahres und verpachtete diesen danach. Zum Zeitpunkt der Verpachtung hatte sich aus den Vorjahren ein Gewerbeverlust angesammelt.

Gewerbeverluste können normalerweise mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Wenn beispielsweise ein Gewerbeverlust in Höhe von 50.000,00 € besteht und das Unternehmen macht in dem konkreten Jahr einen Gewinn von 120.000,00 € müssen nur 70.000,00 € versteuert werden (120.000,00 € – 50.000,00 €).

So hat es die Kommanditgesellschaft auch im vorliegenden Fall gemacht.

Das wollte die Finanzverwaltung allerdings nicht anerkennen. Es war der Meinung, dass der Verlustabzug mit Beginn der Verpachtung entfallen muss, da keine Unternehmensidentität mehr vorliegt.

Dieser Auffassung hat sich der BFH angeschlossen. In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass für einen Vortrag des Verlustes die Unternehmeridentität ohne Unterbrechung vorliegen muss.

Bei einer Besitzpersonengesellschaft, wie in diesem Fall, sei das gegeben, wenn eine sachliche und personelle Verflechtung mit dem Betriebsunternehmen vorliegt, also eine Betriebsaufspaltung. Liegt eine Betriebsaufspaltung vor, ist die Unternehmeridentität gewahrt und die Verluste aus Gewerbebetrieb können weiter mit Gewinnen verrechnet werden.

Liegt allerdings keine Betriebsaufspaltung vor, so müsse geprüft werden, ob die Tätigkeit des ursprünglichen mit der Tätigkeit des verpachteten Gewerbebetriebs dem Grunde nach wirtschaftlich identisch ist. Bei wesentlichen Abweichungen gehen die Gewerbeverluste mit Beginn der Betriebsverpachtung unter.

Im vorliegenden Fall entstand das Problem als Folge einer etwas komplizierten Umstrukturierung, mit deren Details ich Sie nicht langweilen will. Wichtig ist Folgendes: Obacht bei Gestaltungen von Unternehmensübertragungen und Umstrukturierungen – lassen Sie sich auf jeden Fall beraten.