Wenn der Gewerbemieter insolvent wird, ist das für den Vermieter ein Ärgernis, da er sich mit dem Insolvenzverwalter herumschlagen muss.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich nun mit dem heute veröffentlichten Urteil vom 29.01.2015 in der Sache IX ZR 279/13 mit einer typischen Fallkonstellation befasst und verschiedene Ansatzpunkte gezeigt, wie sich der Vermieter gegen den Insolvenzverwalter „wehren“ kann (es gibt natürlich noch ein paar mehr, mit denen sich das Gericht hier nicht befasst hat).

Das Urteil ist leider 42 Seiten lang aber sehr lesenswert, da einige immer wieder auftauchende Probleme des Insolvenzrechts dargestellt werden.

Sachverhalt

Um folgenden Fall ging es:

Eine Grundstücksgesellschaft hatte Grundstücke und Maschinen an eine später in Insolvenz gefallene GmbH vermietet. Die Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft waren auch wesentlich an der insolventen Mieterin beteiligt.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Insolvenzverwalter den Mietvertrag fristgemäß. Die Hallen räumte er allerdings erst sehr viel später.

Die Grundstücksgesellschaft verlangt die Miete bis zum Ende der Mietzeit und für die Zeit bis zur Beräumung und Rückgabe des Grundstücks eine Nutzungsentschädigung.

Der Insolvenzverwalter hat eine Reihe von formalen Punkten gegen die Klage eingewandt und hilfsweise mit Anfechtungsansprüchen aufgerechnet, die daraus resultieren sollen, dass die insolvente Gesellschaft im Zeitpunkt der Krise Mieten an die Grundstücksgesellschaft gezahlt habe (§ 135 Abs. 3 Satz 2 InsO).

Ergebnis

Das Gericht hat der Vermieterin die volle Miete zugesprochen und sämtliche Anfechtungsansprüche des Verwalters zurückgewiesen.

Nutzungsentschädigung für die Zeit nach dem Ende des Vertrages gab es allerdings nicht.

In Einzelnen:

Anspruch auf Miete nach Insolvenzeröffnung

Der Bundesgerichtshof hat sich, nachdem er sich mit den formalen Punkten des Vertragsschlusses befasste, festgestellt, dass ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Mietanspruch der Grundstücksgesellschaft für die Zeit bis zur kündigungsbedingten Beendigung des Mietverhältnisses bestehe.

Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen gemäß § 108 Abs. 1  Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort; § 108 Abs. 1 InsO verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 InsO.

Betrifft ein Mietverhältnis wie hier unbewegliche und bewegliche Gegenstände ist § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO für den gesamten Vertrag maßgeblich, wenn die Vermietung des unbeweglichen Gegenstandes den Schwerpunkt des Vertrages ausmacht.

Keine Nachrangforderung/Kapitalersatz

Auch der Argumentation des Insolvenzverwalters, weil die Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft und der Schuldnerin weitgehend identisch seien, stelle die Mietforderung hier keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 dar, sondern eine nachrangige Forderung nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, erteilte der Bundesgerichtshof eine Absage.

„Alle Auslegungsversuche“, urteilt das Gericht, „§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einen Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu entnehmen, entbehren einer tragfähigen Grundlage.“

Das frühere Eigenkapitalersatzrecht gewährte dem Insolvenzverwalter einer Gesellschaft im Falle einer kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung nach Verfahrenseröffnung aus § 32a Abs. 3 GmbHG a.F. ein Recht auf unentgeltliche Nutzung gegen den Gesellschafter. Der Insolvenzverwalter konnte nach Verfahrenseröffnung verlangen, dass ihm das vermietete oder verpachtete Grundstück für die Zwecke des Insolvenzverfahrens für die vereinbarte oder für die übliche Zeit überlassen blieb.

Diese Regelung ist allerdings durch das MoMiG außer Kraft gesetzt worden. Nach dem verlautbarten Willen des Gesetzgebers ist infolge der Beseitigung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter auf unentgeltliche Nutzung eines überlassenen Wirtschaftsguts entfallen, wie das Gericht umfangreich und mit Verweis auf die Literatur begründet.

Keine Ansprüche aus § 135 InsO

Auch mit seinem auf § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO gestützten Antrag, die Miete auf den Druchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung tatsächlich geleisteten Vergütung zu reduzieren, dringt der Insolvenzverwalter nicht durch.

Der Gesellschafter soll grundsätzlich dieselbe Vergütung erhalten, die ihm zuvor tatsächlich zugeflossen ist; ihm soll kein darüber hinausgehendes Sonderopfer abverlangt werden. Der Regelungsbereich des § 135 Abs. 3 InsO ist jedoch nicht berührt, sofern das vertragliche Nutzungsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft nach Verfahrenseröffnung fortbesteht, weil dem Vermieter bis dahin ohnehin kein Aussonderungsrecht zusteht.

Schließlich sind auch die (verspäteten) Mietzahlungen der Schuldnerin an die Klägerin nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar und können daher vom Insolvenzverwalter nicht aufgerechnet werden.

Hierbei hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die Miete zwar verspätet aber der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum von 30 Tagen nicht überschritten worden sei. Wird ein Baraustausch durchgeführt, handelt es sich nicht um eine stehen gelassene und damit einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung, die gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung zugänglich ist.

Kein Nutzungsersatz

Gescheitert ist die Klägerin allerdings soweit sie eine Nutzungsentschädigung wegen der Vorenthaltung der Mietsache durch den Insolvenzverwalter begehrt, sprich für den Zeitraum, in dem er die Halle nicht geräumt hatte.

Dies liegt in vorliegendem Fall daran, dass der Insolvenzverwalter nicht für die Masse Besitz an der Mietsache ergriffen und zugleich den Vermieter gegen dessen Willen gezielt ausgeschlossen hat. Die Klägerin verfügte unstreitig über die Schlüssel der Mietsache, so dass sie nicht an deren Nutzung gehindert war. Auch hat der Beklagte nach Verfahrenseröffnung nicht auf die Mietsache zugegriffen, sondern es bei dem bei Verfahrenseröffnung gegebenen Zustand belassen. Da die in den Mieträumen befindlichen Restwaren unverkäuflich waren, scheidet auch eine Lagerung im Interesse der Masse aus.

Sprechen Sie uns an, wenn es um insolvenzrechtliche Fragen geht oder um die Abwehr von Ansprüchen und Strafverfahren gegen Geschäftsführer.

Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung haben wir hier kommentiert: