Heute hat der Bundesgerichtshof sein Urteil vom 13. März 2014 veröffentlicht (IX ZR 43/12), in dem er sich mit einer praxisrelevanten Frage aus dem Bereich des Insolvenzrechts befasst.

Hintergrund ist folgender: Der Insolvenzverwalter kann eine selbständige Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Absatz 2 der Insolvenzordnung aus dem Insolvenzbeschlag freigeben. Im Gesetzeswortlaut klingt das so:

„Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.“

Wenn der Verwalter die Tätigkeit des Schuldners freigibt, muss der Schuldner alle Verpflichtungen die aus dieser Tätigkeit resultieren selbst erfüllen. Die Einnahmen stehen trotz des laufenden Insolvenzverfahrens ihm zu und er haftet für neu entstehende Verbindlichkeiten selbst.

Allerdings obliegt es ihm nach § 295 Absatz 2 der Insolvenzordnung „die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre“. Tut er dies nicht, riskiert er, keine Restschuldbefreiung zu bekommen.

In diesem Zusammenhang war unklar, in welcher Höhe Zahlungen zu leisten sind und ob der Verwalter einen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung hat oder ob der Schuldner sich selber darum kümmern muss um seine Restschuldbefreiung nicht zu verlieren.

Hierdurch entstand die für den Schuldner unbefriedigende Situation, dass er erst bei Entscheidung über die Restschuldbefreiung wirklich Sicherheit hatte, ob seine Zahlungen an die Masse ausreichend waren und das Insolvenzverfahren ihm die erhoffte Schuldenfreiheit beschert. Der Bundesgerichtshof hat nun Klarheit in diese Fragen gebracht.

Im entschiedenen Fall war der Schuldner selbständiger Zahnarzt. Der Insolvenzverwalter verlangte von ihm Zahlungen, die er nach dem Gehalt berechnet hatte, das der Schuldner als angestellter Zahnarzt hätte verdienen können. Der Schuldner erklärte allerdings, aus seiner Praxis keine Einnahmen in dieser Höhe zu erzielen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der Schuldner schon während des Insolvenzverfahrens verpflichtet, Zahlungen zu leisten (keine bloße Obliegenheit). Dies gebiete regelmäßig eine jährliche Zahlung, die der Insolvenzverwalter 15 Monate nach Wirksamwerden der Freigabeerklärung für den entsprechenden Zeitraum gerichtlich geltend machen kann.

Allerdings ist der Schuldner nur dann verpflichtet, etwas an die Insolvenzmasse abzuführen, wenn er tatsächlich einen Gewinn aus seiner Tätigkeit erzielt hat, der den unpfändbaren Betrag einer unselbständigen Tätigkeit übersteigt (untere Grenze). Die Abführungspflicht ist zudem auf den Betrag beschränkt, der sich bei einer unselbständigen Tätigkeit ergäbe (obere Grenze). Maßstab ist also das „pfändbare fiktive Nettoeinkommen„.

Der Verwalter hat die dem Schuldner mögliche Tätigkeit in abhängiger Stellung darzulegen und zu beweisen (obere Grenze); der Schuldner ist hingegen darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sein Gewinn unterhalb des ermittelten pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit bleibt (untere Grenze). Der Schuldner ist dem Insolvenzverwalter umfassend zur Auskunft verpflichtet.

Es wird spannend sein zu sehen, ob nun großflächig die Verfahren mit freigegebener Tätigkeit überprüft werden – sinnvolle Ansatzpunkte gibt es sowohl für Verwalter als auch für Schuldner.