Gerade neulich hatte ich etwas zu Corporate Governance geschrieben.

Nun bin ich auf der Seite der Harvard Business School auf eine brandneue Untersuchung gestoßen, in der Suraj Srinivasan und John C. Coates die Kosten-Nutzen-Relation des Sarbanes-Oxley-Act (SOX) untersucht haben (komplette Studie, allerdings ohne Grafiken, hier als pdf; hier eine Zusammenfassung von Julia Hanna).

Die Untersuchung ist auch für deutsche Leser interessant, weil auch bei Sarbanes-Oxley – wie bei den deutschen Corporate Governance Regeln – die Motivation war, nach diversen Unternehmenszusammenbrüchen die Qualität der Unternehmensführung zu verbessern und das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen.

Insgesamt zeigt die Untersuchung gut die Wechselwirkungen regulatorischer Maßnahmen und deren Folgewirkungen und Probleme, die Wirkungen präzise zu messen und zu beziffern.

In Ihrem Aufsatz stellen die Autoren zunächst die Effekte von SOX auf diverse unternehmerische Bereiche dar. Auch wenn beispielsweise der Punkt 2.1 „federalization of corporate law“ zunächst für deutsche Leser keine Bedeutung zu haben scheint, ist die Frage des Verhältnisses zwischen EU-Recht und dem Recht der Einzelstaaten auch hierzulande von Relevanz.

Hier sei vor allem die „Richtlinie 2006/43/EG der Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates“ erwähnt, auch EuroSOX genannt.

Um sich dem Thema zu nähern, stellen die Autoren zunächst die Ergebnisse diverser Befragungen von „Informierten Marktteilnehmern“ über deren Einschätzung zu Effekten, Kosten und Nutzen des Gesetzes dar (4.). Danach beschreiben sie die direkten und indirekten Kosten des Gesetzes („control system expenditures“, „securities litigation related to SOX“, „indirect costs of SOX“), denen sie den Nutzen gegenüber stellen („impact on accounting quality“, „impact on audit quality“, …) sowie die Auswirkungen auf das Vermögen der Aktionäre (7.).

Fast noch interessanter ist für mich der folgende Punkt (8.), in dem die Autoren weitere Auswirkungen und Effekte darstellen. Dabei handelt es sich zum großen Teil um Folgewirkungen, also um die Reaktionen der Wirtschaftssubjekte auf die gesetzlichen Regelungen. Dies verdeutlicht die Komplexität und Vernetztheit von Prozessen in Unternehmen ebenso wie den Einfallsreichtum der Akteure.

Schließlich umreißen die Autoren eine Research Agenda (9.) für künftige Forschungen. Als ersten Punkt identifizieren Sie:

„The first task is to develop better methods of simply measuring the incidence of fraud and its costs.“ 

Also das Entwickeln besserer Methoden um das Auftreten von Betrug und dessen Kosten zu messen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die zitierten Forschungsergebnisse – beispielsweise von A. Zakolyukina, die zu dem Ergebnis kommt, dass in Ihrer Stichprobe von 1.500 Unternehmen 66% rationale Anreize dafür haben, ihre Einnahmen zu manipulieren und daraus eine gewichtete Abweichung der Aktienpreise von 16% resultiert. Aber auch die Schätzungen, die besagen, dass die aktuelle Krise zwischen 90% und 350% des weltweiten Bruttosozialproduktes gekostet habe.

Darauf, dass die bessere Externalisierung des Nutzens von beispielsweise betrügerischen Handlungen der zentrale (ökonomische) Ansatz ist, bin ich in den Beiträgen „Unternehmensstrafrecht – endlich rational“ und „Strafe = Preis. Ich hab’s ja schon immer gesagt“ schon eingegangen.

Trotz sorgfältiger Forschung bleibt den Autoren am Ende (nur) die Feststellung (aus der Zusammenfassung von Julia Hanna):

„The big, unanswered question is whether SOX-related changes had any impact in the lead-up to the financial crisis. Did it make things better or worse? … We don’t know the answer to that. We only know that there were benefits in terms of financial reporting and corporate governance; that costs of implementation were higher for smaller companies; and that concerns about risk-taking and investment haven’t come to bear.“

Trotzdem – oder gerade deswegen – lesenswert.