Kammern sind komische halbstaatliche Einrichtungen, von denen nicht wenige meinen, sie seien überholt, nachdem der Kampf um eine vom Staat unabhängige Anwaltschaft gewonnen zu sein scheint.

Zum einen sorgen sie für Zucht und Ordnung unter ihren Mitgliedern, die sich gegen ihre Zwangsmitgliedschaft nicht wehren können – die meisten Gerichtsverfahren gegen Anwälte wegen (angeblicher) Verstöße dürften wohl von den Anwaltskammern initiiert werden.

Zum anderen schützen sie ihre Mitglieder gegen die Konkurrenz der Nichtmitglieder, in dem sie Marktzugangsbeschränkungen errichten oder sich – wie bei Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) – zumindest darum bemühen, die bestehenden Schranken so gut es geht aufrechtzuerhalten.

Die eigentümliche Zwitternatur der Kammern zeigt sich beispielsweise daran, dass der Gesetzgeber die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) verpflichtet hat, allen in der Bundesrepublik zugelassenen Rechtsanwälten ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) einzurichten.

Seither mühen sich vornehmlich ältere Herren in der Kammer, dem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden. Ich einem Blogbeitrag vom 26.11.2013 – also vor mehr als vier Jahren – habe ich etwas despektierlich geschrieben, die „BRAK bastelt am Anwaltspostfach„. Dass die BRAK „tatsächlich“ gebastelt hat, war in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen zu spüren – immerhin musste der Start schon einmal um zwei Jahre verschonen werden.

Wie sehr ich mit dem „basten“ recht hatte, ist aber allgemein erst am 22.12.2017 klar geworden. Der Kollege Schwartmann hat in seinem Beitrag „Die BRAK verkauft Anwälte für dumm“ das jüngste Versagen zusammengefasst. Um es kurz zu machen: durch die untauglichen Versuche der Kammer bzw. des von ihr beauftragten Dienstleisters die bisherigen Fehler zu vertuschen und irgendwie zu korrigieren, wurden mit heißer Nadel „Reparaturmaßnahmen“ ergriffen, die im Ergebnis dazu führten, dass die gesamte IT-Sicherheit der Kanzleien korrumpiert wird. Ein paar (Feier)Tage vor dem verpflichtenden Start am 01.01.2018 wohlgemerkt.

In den Sozialen Medien ergießt sich eine Mischung aus Verzweiflung und Spott (#beA, #beAWahn, #beASong, #beAsongs). Einer der lustigsten der vielen, vielen lustigen Tweets dazu kommt von @anwaltsgelaber:

Dass Rechtsanwalt Percy Rönneberg das Justizministerium aufgefordert hat, als Aufsichtsbehörde tätig zu werden wird wohl (leider) auch nicht helfen und ob dieses Debakel – wie die meisten Kollegen fordern, von denen ich derzeit etwas dazu lese – tatsächlich personelle Konsequenzen beim EDV-Dienstleister und bei der BRAK nach sich ziehen wird, bleibt abzuwarten. Sie wissen schon: „müsste, müsste Fahrradkette“.

Liebe Verantwortliche bei der Kammer: was mich an dieser Sache wirklich, wirklich ärgert, ist nicht so sehr, wie augenscheinlich  dilettantisch Umsetzung und Kommunikation sind. Und auch nicht, dass ich wie die anderen 165.000 Anwälte seit ein paar Jahren rd. 70,00 € im Jahr für etwas bezahle, was nicht funktioniert (rd. 38 Mio. € insgesamt). Und auch nicht, das ich noch mehr Geld und Zeit für neue Hardware, Installation und Schulung aufgewandt habe.

Was mich fassungslos macht, ist, dass die Kammern offensichtlich zwei Dinge nicht hinreichend ernst nehmen, die unseren Berufsstand und die allermeisten Kollegen auszeichnen: Verschwiegenheit und aufrichtige Kommunikation.

Ein wesentliches Element anwaltlicher Tätigkeit ist doch gerade durch die besondere Verschwiegenheitsverpflichtung gekennzeichnet, die uns Anwälte – zumindest formal – von vielen anderen Berufsgruppen unterscheidet: das Anliegen unserer Mandanten ist bei uns in guten Händen und wir tun alles dafür, dass es vertraulich bleibt. Deswegen schließen wir Akten ein, installieren Datenschutzsysteme, verzichten auf die Nutzung von bestimmten IT-Diensten wie WhatsApp und so weiter. Dass die Bundesrechtsanwaltskammer das in Zusammenwirken mit dem Dienstleister aushebelt, ist schon schlimm genug. Aber dass sie erst Halbwahrheiten verbreitet und dann dazu schweigt, setzt dem ganzen die Krone auf.