Am 16.05.2013 hat der 4. Senat des Bundesfinanzhofs sich Gedanken darüber gemacht, was einkommensteuerlich passiert, wenn ein Insolvenzverwalter mit Absonderungsrechten belastete Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens veräußert (IV R 23/11).

Dabei hat er festgestellt (Leitsatz):

1. Die Einkommensteuerschuld, die aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse (und zum Betriebsvermögen) gehörenden Wirtschaftsgüter resultiert, ist als sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren.

2. Diese Einkommensteuerschuld ist auch dann in voller Höhe Masseverbindlichkeit, wenn das verwertete Wirtschaftsgut mit Absonderungsrechten belastet war und –nach Vorwegbefriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger aus dem Verwertungserlös– der (tatsächlich) zur Masse gelangte Erlös nicht ausreicht, um die aus der Verwertungshandlung resultierende Einkommensteuerforderung zu befriedigen (Aufgabe der anderslautenden Rechtsprechung im BFH Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602, unter 3.).

Hintergrund ist der Folgende:

In der Regel sind betrieblich genutzte Gegenstände mit Absonderungsrechten im Sinne der §§ 49 InsO belastet weil z.B. Grundschulden, Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen etc. bestehen.

Wenn der Insolvenzverwalter diese Gegenstände verwertet, bekommt die Insolvenzmasse (also die ungesicherten Gläubiger) bei beweglichen Gegenständen vom Verwertungserlös 9 % (§ 171 InsO); für Immobilien ist im Gesetz nichts geregelt – meistens einigen sich Insolvenzverwalter und Sicherungsgläubiger hierbei auf einen Betrag zwischen 3 % und 5 % des Verkaufserlöses. Den Rest kehrt der Verwalter an den Absonderungsberechtigten aus.

Nach der Auffassung des Bundesfinanzhofs muss die bei Veräußerung entstehende Einkommensteuerschuld aus der Insolvenzmasse begleichen werden. Da diese in der Regel höher ist als der Massekostenbeitrag der zur Insolvenzmasse fließt, kann der Insolvenzverwalter die Gegenstände faktisch nicht verwerten, weil er dann ein Minusgeschäft machen würde, war er nicht darf.

Er kann diese Gegenstände dann nur freigeben – also erklären, dass sie nicht mehr zur Insolvenzmasse gehören.

Damit „gehören“ sie wieder dem Schuldner. Der kann sie aber auch nicht verkaufen, da er die entstehenden Steuerschulden ebenfalls nicht bezahlen kann.

Wenn der Verwalter das Grundstück dennoch verkauft, die Steuerschulden aber aus der Insolvenzmasse nicht bezahlen kann, müsste die Differenz dem Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602 als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen qualifiziert werden, sprich: gegen den Schuldner festgesetzt werden. Dieser wäre im laufenden Insolvenzverfahren erneut zahlungsunfähig, könnte allerdings hierfür keine Restschuldbefreiung erlangen.

Im Ergebnis wird damit zumindest bei belasteten Immobilien oft nur die Möglichkeit bleiben, diese im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens versteigern zu lassen. Die Folge davon ist, dass der Sicherungsgläubiger deutlich weniger bekommt als bei einem freihändigen Verkauf, das Finanzamt aber auch keine Steuern.

Das war auch dem Bundesfinanzhof klar, der in seinem Urteil in Rn. 36 f. schreibt:

„Der Senat verkennt nicht, dass die Verwertung der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände im allseitigen Interesse liegt und die Änderung der bisherigen Rechtsprechung die praktische Folge nach sich ziehen könnte, dass der Verwalter künftig von der Möglichkeit der Freigabe des belasteten Gegenstands Gebrauch machen wird, um die Masse nicht mit aus Steueransprüchen resultierenden Masseverbindlichkeiten zu belasten. […]

Sollte es wegen der geänderten Rechtsprechung vermehrt zur Freigabe der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände kommen und sollte die aus ihrer Verwertung durch die absonderungsberechtigten Gläubiger resultierende Einkommensteuer als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen einzuordnen sein, läge der Grund für einen daraus resultierenden Zielkonflikt mit der Restschuldbefreiung aber –anders als der Kläger meint– zumindest nicht in der geänderten Rechtsprechung. Anders als unter der bisherigen Rechtsprechung (s. oben, II.2.b bb (2)) wäre wegen der Freigabe des Gegenstands verwertbare Masse vorhanden, die grundsätzlich ein zweites Insolvenzverfahren rechtfertigen könnte. Einer Restschuldbefreiung könnte dann zwar der Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenstehen. Darüber ist jedoch vorliegend nicht zu entscheiden.“

Tja, so „einfach“ kann man es sich natürlich machen, aber dem absonderungsberechtigten Gläubiger und dem Schuldner hilft das überhaupt nicht weiter.