Heute ist die Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Sanierungserlass, der bis dahin die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen regelte, just ein Jahr alt.

Wie ist der Stand für die Beratungspraxis?

Stellen Sie sich folgende Konstellation vor:

Ihr Unternehmen läuft zwar „eigentlich“ ganz gut, aber in der Vergangenheit haben sich hohe Schulden angesammelt. Die Schuldenlast und die Zinsen und Tilgungen erdrücken Sie.

Deshalb machen Sie Ihren Gläubigern ein Angebot: um Ihr Unternehmen zu retten und dauerhaft zu sanieren, sollen diese auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten – die Alternative ist der Gang zum Insolvenzrichter.

Weil Ihr Konzept stimmig ist, stimmen Ihre Gläubiger zu. So haben diese die Chance, einen erheblichen Teil ihrer Forderung zu bekommen, bei einer Insolvenz Ihres Unternehmens wäre die Quote fast null.

Allerdings kommt jetzt das Finanzamt um die Ecke, denn durch die Forderungsverzichte haben Sie nun einen außerordentlichen Ertrag – und der ist steuerpflichtig. Jedenfalls seit der Gesetzgeber wohl aus Versehen § 3 Nr. 66 EStG alte Fassung gestrichen hatte.

Dass so die Sanierung von Unternehmen erschwert wird, weiß natürlich auch die Finanzverwaltung. Deswegen hat sie 2003 den so genannten Sanierungserlass verabschiedet – der diese Erträge unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei stellt. Seither ist der Sanierungserlass sowohl bei Sanierungen im Rahmen eines Insolvenzplans als auch bei außergerichtlichen Sanierungen häufig und zumeist unproblematisch angewendet worden.

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in der Entscheidung GrS 1/15 vom 26.11.2016 allerdings erkannt, dass der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und daher nicht mehr angewendet werden darf.

Darauf hat die Finanzverwaltung reagiert und mit einem Schreiben vom 27.04.2017 die Finanzämter angewiesen, bis zum Datum der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats im Internet am 08.02.2017 den Sanierungserlass weiter anzuwenden ( so genannte „Altfälle“).

Nun hatte der BFH über einen dieser Altfälle zu befinden. In einer lesenswerten Entscheidung vom 23.08.2017 I R 52/14 hat der BFH nun klargestellt, dass der Sanierungserlass auch auf Altfälle nicht mehr angewendet werden darf. Ein Vertrauensschutz sei nicht erforderlich.

In einem Aufsatz in der ZInsO 46/2017 S. 2417-2421 schreibt Prof. Dr. Jan Roth dazu:

„Der Sanierungserlass ist für die Rechtsanwendungspraxis Geschichte. Er kann auch nicht mehr auf Altfälle angewendet werden. Der Berater tut in der aktuellen Situation gut daran, den Begriff des Sanierungserlasses nicht einmal mehr in den Mund zu nehmen.“

Seither bleibt praktisch nur der Erlass oder Teilerlass der Steuern im Rahmen von Einzelfallentscheidungen, die ggf. mit der einstweilige Anordnung nach § 114 FGO beschleunigt werden können.

Und was ist mit den „Neufällen“?

Noch am 27.4.2017 hatte der Bundestag das „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ beschlossen, in dessen Artikel 2 ein neuer § 3a EStG und § 7b GewStG enthalten sind, die praktisch die alte Rechtslage wieder herstellen. Am 02.06.2017 hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt und am 27.06.2017 wurde es im Gesetzblatt verkündet.

Also alles Gut? Von wegen, denn Artikel 6 des „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ regelt, dass unter anderem die Regeln zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen

„an dem Tag in Kraft [treten], an dem die Europäische Kommission durch Beschluss feststellt, dass die Regelungen […] entweder keine staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über  die Arbeitsweise der Europäischen Union oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen.“

Tja, herzlichen Glückwunsch!