Allerspätestens nachdem heute Thomas Middelhoff zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, ist das Thema Organhaftung in der Öffentlichkeit angekommen.

Hintergrund ist, dass er Kosten in Höhe von mehr als 500.000 € über seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Arcandor AG, abgerechnet hatte. Zum großen Teil ging es dabei um Flüge zwischen dem Wohnort von Herrn Middelhoff und der Firmenzentrale von Arcandor und zu verschiedenen Veranstaltungen; außerdem um die Übernahme der Kosten für eine Festschrift für einen anderen Manger.

Middelhoff war nach seiner Aussage davon ausgegangen, dass diese Posten betrieblich veranlasst waren. Der Richter sah dies allerdings anders und ging von privaten Ausgaben aus, die zu unrecht über das Unternehmen gelaufen waren.

Es geht also um den falschen Umgang mit dem Geld der Gesellschaft deren Chef er war. Ausgangspunkt der strafrechtlichen Verurteilung ist § 266 StGB (Strafgesetzbuch), der bestimmt:

„Wer die ihm […] eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm […] obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Dass dies keine Bagatelle ist, zeigt sich daran, dass Herr Middelhoff wegen Fluchtgefahr unmittelbar nach der Urteilsverkündung in Untersuchungshaft genommen wurde.

Und als ob dies für Herrn Middelhoff nicht alles schon schlimm genug wäre, gibt es noch eine zivilrechtliche Komponente: der Insolvenzverwalter von Arcandor, zu deren Lasten Herr Middelhoff gehandelt hat, macht den entstandenen Schaden gegen ihn geltend (was nicht Gegenstand des aktuellen Prozesses ist).

Unter dem Strich sieht es also danach aus, dass Herr Middelhoff für die unrechtmäßige Abrechnung für eine relativ lange Zeit ins Gefängnis muss, er Arcandor dieses Geld nebst weiterer Schadenspositionen aus seinem Privatvermögen erstatten und außerdem die Kosten der Anwälte und des Verfahrens tragen muss. Unter dem Strich ein teurer Spaß – ganz abgesehen davon, was ein jahrelanger Prozess auch mit robusten Persönlichkeiten macht.

Aus meiner Sicht ist das Verfahren die beste Reklame für klare Compliance-Regeln in Unternehmen und dafür, uns zu beauftragen. Diese Regeln dienen letztlich nämlich auch dem Schutz der handelnden Personen.

Im Laufe der Verhandlung hatte die Frau von Herrn Middelhoff ausgesagt, ihr Mann habe „eigentlich immer gearbeitet. Immer, immer“ – auch an Wochenenden und bei gemeinsamen Ferienreisen; manchmal sei er nur zum Essen aus dem Arbeitszimmer gekommen.

Für mich ist es sehr gut nachvollziehbar, dass in einer solchen Situation die Grenzen zwischen Privat und „Firma“ verschwimmen und ich nehme es Herrn Middelhoff (zumindest ein bisschen) ab, wenn er in seinem Schlusswort sagt, er habe sich kein Fehlverhalten vorzuwerfen.

Noch leichter passiert die „unglückselige Verquickung von beruflichen und privatem Interessen“ (so der Richter im Middelhoff-Verfahren) in Familiengesellschaften oder Einpersonengesellschaften. Es ist – wenn man nicht gerade Jurist ist – auch nicht so einfach zu verstehen, warum ein Mitarbeiter der, sagen wir, Baufirma die ich gegründet habe und die mir gehört, nicht mal eben so meine Hofeinfahrt ausbessern darf.

In der Urteilsbegründung sagte der Richter, dass es ohne die Arcandor-Insolvenz das Verfahren wohl nicht gegeben hätte, denn letztlich sei erst durch „Erbsenzählerei des Insolvenzverwalters“ der Prozess ins Rollen gekommen. Das ist vermutlich richtig, aber wenn der Schutz vor persönlicher Haftung gerade dann versagt, wenn es darauf ankommt, ist nicht viel gewonnen.

Geschäftsführer leben bekanntlich gefährlich: die Möglichkeiten, Fehler zu machen, sind so vielfältig wie das Leben.

In unserem Beitrag zur Geschäftsführerhaftung haben wir die relevanten Fallgruppen für Sie skizziert.