Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs führt bei Verbindlichkeiten aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung trotz Widerspruch und Restschuldbefreiung zu erheblichen Problemen für den Schuldner. Längst erledigt geglaubte Ansprüche tauchen plötzlich wieder auf.

Restschuldbefreiung und Ausnahmen

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens kann der Schuldner nach einer Wohlverhaltensperiode Restschuldbefreiung erlangen. Das bedeutet, dass ihm die restlichen Schulden (untechnisch gesprochen) „erlassen“ werden § 301 der Insolvenzordnung, InsO).

Von diesem Erlass nimmt § 302 InsO bestimmte Schulden aus, beispielsweise „Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes […] angemeldet hatte“.

Der Klassiker in diesem Bereich sind Ansprüche der Krankenkassen, wenn der Schuldner im Vorfeld der Insolvenz die Beiträge zur Sozialversicherung nicht mehr gezahlt hat, denn dies stellt nach § 266a des Strafgesetzbuchs ein „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ dar.

Widerspruch gegen die Forderung

Im Verlauf der Prüfung dieser Forderung kann der Schuldner diese Forderung bestreiten.

Typischerweise – ich schätze in 90% der Fälle – erfolgt dies in der Weise, dass der Insolvenzverwalter die Forderung der Höhe nach prüft und feststellt oder bestreitet und der Schuldner nur dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung widerspricht – denn nur dies ist für die Restschuldbefreiung relevant.

Wenn der Gläubiger damit nicht einverstanden ist, muss er nach § 184 InsO Klage auf Feststellung erheben (so bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und so gut wie einhellige Meinung in der Literatur).

Entscheidung des BGH

Nun hat der Bundesgerichtshof in einem geradezu idealtypischen Fall die bisherige Handhabe mehr oder weniger auf den Kopf gestellt und dürfte damit, wie ich vermute, ein Welle von Vollstreckungen und Vollstreckungsgegenklagen ausgelöst haben.

Folgendes war passiert: Die Krankenkasse hatte eine Beitragsforderung unter dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet. Die Forderung wurde festgestellt, nachdem der Schuldner dem geltend gemachten Rechtsgrund widersprach (also Standard).

Nach Erteilung der Restschuldbefreiung beantragte die Krankenkasse allerdings einen Tabellenauszug, um daraus gegen den Schuldner vollstrecken zu können.

Nach dem was ich gerade geschrieben hatte, ist das Unsinn, denn der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung soll ja gerade dazu führen, dass auch diese Forderung „erlassen“ wird.

Dies haben auch das Amtsgericht und das Landgericht so gesehen – nicht aber der Bundesgerichtshof; dieser hat in seinem gestern veröffentlichten Beschluss des IX. Zivilsenats vom 3. April 2014 zu IX ZB 93/13 der Krankenkasse Recht gegeben.

Der Bundesgerichtshof meint, der Schuldner hätte nicht nur dem Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung widersprechen müssen, sondern dem Anspruch insgesamt – und das, obwohl sein Widerspruch, wie es in § 178 Abs. 1 S. 2 der Insolvenzordnung ausdrücklich heißt, der Feststellung der Forderung nicht entgegensteht.

Nun stellt der Bundesgerichtshof die bisherige Rechtsprechung in der Weise „klar“, dass

„ein Widerspruch des Schuldners nur dann der Vollstreckung entgegensteht, wenn er gegen die angemeldete Forderung als solche gerichtet ist. Wendet sich der Schuldner hingegen nur gegen den Rechtsgrund einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, ist der Gläubiger gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO berechtigt, aus der Eintragung in die Tabelle die Vollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben“ (Rz 13).

Konsequenzen

Die Rechtsfolge ist für den Schuldner ausgesprochen unerfreulich, denn nun muss er sich – wie das Gericht durchaus erkennt – nach Aufhebung des Verfahrens mit einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gegen die Vollstreckung zur Wehr setzen. Erst in diesem Verfahren ist dann festzustellen, ob der Rechtsgrund der unerlaubten Handlung gegeben ist oder die Forderung von der Restschuldbefreiung erfasst ist.

Dies führt dazu, dass lange erledigt geglaubte „Zombie-Ansprüche“ plötzlich wieder auftauchen und damit in einigen Fällen wohl auch das erstrebte Ziel der Entschuldung vereitelt wird, wenn der – nun kurzfristig schuldenfreie Schuldner – die Altschulden nebst Vollstreckungskosten nicht begleichen kann.

Mein Tipp: prüfen Sie in solchen Fällen unbedingt wogegen Widerspruch erhoben wurde und ob die Belehrung des Insolvenzgerichts zutreffend war. Außerdem müssen, auch wenn der Gläubiger beweispflichtig ist, schon jetzt für den Fall eines – ggf. erst in einigen Jahren stattfindenden – Vollstreckungsverfahrens Beweise gesichert werden, die gegen eine unerlaubte Handlung sprechen.