Ich war Anwalt in einer größeren Kanzlei in einer kleinen Stadt am Meer.

Der Sparkassendirektor war gleichzeitig der Vorsitzende des Sportvereins und ließ keine Gelegenheit aus, für diesen Gelder einzusammeln. Der honorige Makler verdiente sich ein Zubrot damit, dass er die Bieter in Zwangsversteigerungsverfahren dazu überredete, ihm ein paar Scheine zuzustecken die ihn motivierten, nicht mitzubieten. Und der Notar zeigte sich für die eine oder andere Beurkundung erkenntlich. Wie es eben so ist.

Einer meiner Mandanten war ein stadtbekannter Unternehmer. Er hatte als Schiffahrtskaufmann begonnen und war mit Grenzhandel zu Geld gekommen, von dem er sich eine riesige Sammlung von Immobilien und Antiquitäten zusammengekauft hatte. Nicht alle Käufe erwiesen sich als gute Investitionen – vor allem, weil er sich nicht von ihnen trennen konnte.

Die Schulden wuchsen, und damit die Not.

Wir verhandelten mit einer anderen stadtbekannten Größe und seinem Strohmann über den Verkauf eines großen Immobilienpaketes in wunderschöner Lage direkt am Hafen.

Unterschiedlicher hätten die Parteien kaum sein können. Auf der einen Seite mein Mandant: schwerfällig aber verschmitzt, oft unrasiert und mit knittrigem Anzug, der mit leuchtenden Augen stundenlang über die Schönheit von (beispielsweise) gustavianischen Gußöfen sprechen konnte. Auf der anderen Seite zwei sonnengebräunte gelackte Typen mit einer Neigung zu geschmacklosem Protz, an denen trotz zahlreicher Zivil- und Strafverfahren einfach nichts von ihren ganzen dubiosen Geschäften hängen bleiben wollte.

In einer der Besprechungen zeigten die beiden breit grinsend, dass sie genau wussten, wie hoch die Schulden waren, die meinen Mandanten drückten. Ich weiß immer noch nicht woher – vielleicht vom Sparkassendirektor oder vom Steuerberater der für beide Parteien gearbeitet hat – aber ich habe verstanden, wie schnell die Geschäftemacher sich abwenden, wenn das Blatt sich wendet.

Dieser Vertrauensbruch hat meinen Mandanten getroffen, auch wenn er sich nichts anmerken ließ. Und auch mich macht es immer noch wütend, obwohl es fast 10 Jahre her ist. Er und die gemeinsamen Kämpfe haben auch mich verändert.

Nun ist mein Mandant an den Folgen eines Krebsleidens gestorben und ich bin aufrichtig traurig.