Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden – so steht es in Artikel 101 des Grundgesetzes. Gemeint ist, dass es eine im Voraus festgelegte und hinterher überprüfbare Festlegung gibt, welcher Richter für welchen Fall zuständig ist. Auf diese Weise soll Willkür verhindert werden.

Deswegen gibt es bei Gericht so genannte Geschäftsverteilungspläne, in denen die Zuständigkeiten abstrakt geregelt sind. Den Geschäftsverteilungsplan legt das Präsidium des jeweiligen Gerichts fest.

Beim Hamburger Amtsgericht ist Abteilung 11 beispielsweise zuständig für Zivilsachen außerdem für ein paar Verkehrszivilsachen und ein Wohnungseigentumssachen. Eben typischer Kleinkram der vor einem Gericht passiert, wenn Leute sich streiten.

Der Vorsitzende dieser Abteilung ist seit Anfang des Jahres Richter am Amtsgericht Frank Frind.

Abonnieren SIe kostenlos unseren NewsletterErwähnenswert ist das, weil Frank Frind einer der profiliertesten deutschen Insolvenzrichter und gleichzeitig Vorsitzender der BAK-Inso, dem Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte, ist – oder genauer war. Außerdem hat er zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften und namhaften Kommentaren verfasst und ist umfassend als Referent tätig.

Dass er aufgrund des geänderten Geschäftsverteilungsplans nach 21 Jahren nicht mehr für Insolvenzsachen zuständig sein soll, bezeichnet er in einem Interview mit der Wirtschaftswoche als „Höchststrafe“.

Grund für die Änderung des Geschäftsverteilungsplan ist wohl, dass das Präsidium „den Kaffee auf“ hatte von dem gelegentlich als „grenzwertig“ und „anmaßend“ empfundenen Auftreten des Richters.

Konkreter Anlasse war die Beschwerde eines Hamburger Insolvenzverwalters. Der Verwalter behauptet, Richter Frind habe angekündigt ihn künftig nicht mehr bei Verfahren berücksichtigen zu wollen, wenn er einen bestimmten Insolvenzplan einreiche.

Anders die Lesart aus Sicht des Richters. Er habe lediglich angekündigt, den Insolvenzplan, sollte er eingereicht werden, zurückzuweisen, da er die Gläubiger massiv benachteilige und ausschließlich für den Schuldner vorteilhaft sei und weil der Schuldner keinen Insolvenzeigenantrag gestellt hatte. Er erklärt hierzu:

„Die gegen mich erhobenen Vorwürfe sind falsch, aber das Verfahren hat mir keine Gelegenheit zu angemessener Verteidigung geboten. Unter anderem wurden die sehr zahlreichen Verwalter, mit denen ich jahre- beziehungsweise jahrzehntelang gut zusammengearbeitet habe, nicht gehört. In jedem Fall bin ich enttäuscht und sehr betroffen, wenn engagierte und zuweilen durchaus unbequeme Insolvenzrichter auf diese Weise aus dem Insolvenzdezernat entfernt werden können, worauf die die Vorwürfe Erhebenden im Ergebnis zielen.“

Zugegeben, Frind hat immer wieder polarisiert. Er hat eine starke Position des Insolvenzgeichts gegenüber den Verwaltern bezogen und sich auch gelegentlich über diese lustig gemacht.

Aber bei aller Kritik am Auftreten: Aufgabe eines Insolvenzrichters ist es eben auch, die Beteiligten zu kontrollieren und darauf zu achten, dass das Verfahren so durchgeführt wird, wie die Gesetze es vorsehen. Dass sich dabei Konflikte zwischen einem einem kritischen, sachkundigen und selbstbewussten Richter und den anderen Beteiligten ergeben können, liegt auf der Hand.

Zumal seit Inkrafttreten des ESUG fast alle größeren Verfahren nicht mehr vom Gericht verteilt werden, sondern im Vorfeld meistens zwischen den Beratern des Schuldners und dem späteren Insolvenzverwalter angebahnt werden. Getreu dem Motto: eine Hand wäscht die Andere.

Dirk Hammes, der nach Bekanntwerden der Causa Frind kritisch zu der Entscheidung Stellung bezogen hat und darin einen schweren Eingriff in die richterliche Selbstbestimmung sieht, schrieb:

„Dass zwischen den Schuldneranwälten und dem späteren Insolvenzverwalter in manchen Fällen Beziehungen und Abreden bestehen, die dem Verfahrensziel entgegenlaufen, ist in der Szene allgemein bekannt.“

Gerade in einem solchen Umfeld bedarf es eines starken Insolvenzgerichts, das sich auch fachlich mit den großen Verwalterkanzleien messen kann und nicht nur „Grüßaugust“ ist, der alles durchwinkt.

Auf der anderen Seite ist aber kleinliche Korinthenkackerei und selbstgerechtes Auftreten ebenso fehl am Platz, wenn es darum geht, wirtschaftlich sinnvolle Lösungen umzusetzen – denn am Ende geht es um Menschen und um Arbeitsplätze.

Richter Frank Frind

 

Nachtrag vom 16.02.2018:
Erst heute ist mir ein kürzlich erschienener Beitrag von Frank Frind aufgefallen, der sich zum Thema äußert, was eigentlich die Aufgabe des Insolvenzrichters ist: „Die Reichweite der amtswegigen Tätigkeiten des insolvenzgerichtlichen Rechtsanwenders – oder „Prüfen statt Durchwinken!“, in ZInsO 5/2018, 231-241.