Es geht um ein erfolgreiches mittelständisches Unternehmen. Die beiden Gesellschafter haben es vor 20 Jahren gegründet und erfolgreich kontinuierlich ausgebaut.
Einer der beiden Gesellschafter beauftragt mich damit, seine Anteile – die Hälfte des Unternehmens – zu verkaufen, da er sich aus Altersgründen zurückziehen will.
Wir analysieren die Branche, kontaktieren die erfolgversprechendsten Investoren und schicken ihnen ein anonymes Exposé. Die gezielte Ansprache und die guten wirtschaftlichen Daten des Unternehmens sorgen für ein reges Interesse, so dass ein regelrechter Wettbewerb entsteht.
Und das, obwohl nur 50 % der Unternehmensanteile übertragen werden sollen. Eigentlich ist diese Konstellation eine echte Herausforderung, denn neben den üblichen Verhandlungen zu Kaufpreis, Übergabestichtag, Zusicherungen usw. muss sich der Erwerber in diesem Fall auch noch mit dem verbleibenden Gesellschafter verstehen und man muss sich über die weitere Fortführung des Unternehmens einig sein.
Einer der Investoren mit dem wir ein Gespräch führen, wirkt auf die Beteiligten sehr überzeugend: er kommt aus der gleichen Branche, verfügt über eine entsprechende Expertise, ist vertriebsstark und außerdem beratend tätig. Kurz: die optimale Ergänzung.
Im zweiten Termin kommt er mit seinem Geschäftspartner, mit dem er den Anteilserwerb gemeinsam realisieren möchte.
Erneut überzeugt der Investor mit seiner eloquenten Art.
Sein Partner war ehemals für einen Großkonzern tätig und hat nach eigener Auskunft Erfahrungen im Bereich der Unternehmensübertragung. Er weiß wo es lang geht und ist deutlich kritischer und auch fordernder. Die Timeline gefällt ihm nicht und auch die Aufforderung zur Abgabe eines unverbindlichen Angebots irritiert ihn.
Mit einem professionellen Workshop – natürlich einschließlich SWOT-Analyse, Ansätzen zum Channel-Marketing, Profiling und Commitment – möchte das Investorenduo meinen Auftraggeber und seinen Kompagnon überzeugen und die Planung zur künftigen gemeinsamen Fortführung und dem Erwerberkonzept vorstellen.
Ich ahne schon was kommt. Wiederholt bitte ich die Investoren einen Gang zurückzuschalten; ein Hinweis, den ich tatsächlich nur sehr selten gebe. Meine Sorge ist, dass mein Auftraggeber „an die Wand gequatscht“ wird. Es sei deshalb klüger, so rate ich dem Investor in einem Telefonat, gerade den Workshop, der Überzeugungsarbeit leisten soll, deutlich hemdsärmeliger und authentischer zu gestalten und mit weniger „Konzern- und Beratergequatsche“. Schließlich geht es um einen Mittelständler.
Nach dem Workshop bespreche ich mich mit meinem Auftraggeber und seinem Mitgesellschafter. Das Ergebnis kurz und bündig: Das Konzept hat überzeugt – die Investoren nicht mehr. Die einheitliche Meinung: der Auftritt war ein „No-go“. Ich musste den Investoren daraufhin mitteilen, dass mein Auftraggeber an einer Fortführung der Gespräche nicht interessiert ist.
Gerne wird im Eifer des Gefechts übersehen, dass es bei der Verhandlungsführung zu einem Unternehmensverkauf neben vielen anderen Dingen auch um Menschen geht und es auf eine angemessene und respektvolle Kommunikation ankommt. Ein zu forsches verbales Vorgehen kann schnell zu einem Dealbreaker werden. Hier liegt ein Schlüssel zum Erfolg darin, sich zurückzunehmen und erst einmal die Position des Gegenübers zu verstehen und seine Leistungen wertzuschätzen.
In unserem Buch zum Unternehmenskauf schreiben wird dazu unter anderem:
„Wenn die Kaufinteressenten Finanzinvestoren sind, ist das erste Kennenlernen oftmals etwas formalisiert. Es wird teilweise erwartet, dass die Unternehmensleitung im Rahmen einer Managementpräsentation das zu verkaufende Unternehmen detailliert und mit dem Fokus auf der zukünftigen Unternehmensstrategie, Marktpositionierung und Ausrichtung vorstellt und den Businessplan erläutert.
Wenn der Kaufinteressent hingegen ein strategischer Investor ist, wird Ziel für das erste Gespräch häufig lediglich sein, einen Eindruck zu bekommen und abzugleichen, ob sich das Bild, dass sich der jeweils andere von dem Unternehmen oder dem Interessenten gemacht hat, bestätigt. Gleichzeitig dient das erste Gespräch bereits dazu, möglichst viele Informationen zu sammeln.
Natürlich kommt es auch auf die Chemie zwischen den Beteiligten an, aber die Gespräche sollten gleichwohl sorgfältig vorbereiten werden. Die Ratschläge für die Vorbereitung des ersten Gesprächs sind trivial, werden allerdings oftmals ignoriert, was die weitere Kommunikation erheblich belasten kann.
Das Gespräch sollte mit ausreichend Zeit und in möglichst entspannter Atmosphäre stattfinden und die Parteien sich auf Augenhöhe begegnen. Wichtig ist auch, sich gedanklich auf das Gespräch vorzubereiten und sich nochmals die eigenen Motive und das Ziel des Gesprächs klarzumachen.Es ist für die Parteien hilfreich, bei diesem Erstkontakt einen Vertrauten mit dabei zu haben; dies ist nicht nur sinnvoll, um das Gespräch im Nachgang zu reflektieren, sondern kann auch helfen, das Gespräch zu strukturieren und diesem einen angenehmen Rahmen verleihen.
Die Wichtigkeit eines offenen und möglichst unvoreingenommenen Dialogs kann dabei aus unserer Sicht deutlich genug betont werden.“
Zur Abrundung hier noch zwei weitere Literaturempfehlungen:
1 Comment
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Ich war ja nicht dabei, aber so wie Sie es schildern, finde ich eher das Verhalten des Verkäufers unangemessen.
Der potenzielle Käufer kennt die Branche, ist vertriebsstark und erscheint daher sehr geeignet. Zudem hat er ein überzeugendes Konzept vorgetragen (für die zukünftige Zusammenarbeit nehme ich an).
Und nun soll es scheitern, weil die Art der Präsentation den Herren Verkäufer nicht gefallen hat? Tut mir leid, das sind doch Lappalien. Jeder Jeck ist anders und hat einen anderen Hintergrund.
Das klingt für mich so, als hätte man sich nochmal ein zweites Mal treffen müssen.