Die Bewertung von Anwaltkanzleien ist ein Thema für viele Kollegen. Oft wird dafür die Richtline des Ausschusses „Bewertung von Anwaltskanzeien“ der BRAK zu Hilfe genommen.

Das Verfahren hat zwei Punkte die für es sprechen: es ist einfach und in der Praxis wird es von Erwerbern und Veräußerern akzeptiert. Es ist aber (1.) kein Bewertungsverfahren und ermittelt (2.) keinen „richtigen“ Wert der Kanzlei.

In unserem Buch zum Kauf- und Verkauf von Anwaltskanzleien haben wir uns kritisch mit diesem Verfahren auseinandergesetzt und die aus unserer Sicht viel besser geeigneten Methoden dargestellt. Wir hatten geschrieben:

„Die pauschalisierende Bewertung von Praxen anhand ihres Umsatzes unterstellt aus unserer Sicht eine Vergleichbarkeit der Kanzleien, die so nicht (mehr) der Realität entspricht. Die Geschäftsmodelle der Kanzleien haben sich zunehmend ausdifferenziert, so dass ein Anknüpfen nur an den Umsatz aus unserer Sicht zu kurz greift.

Zudem ist das Vorgehen auch in sich selbst nicht konsistent: Den Gewinn (= Umsatz – Kosten) hält der Ausschuss nicht für maßgebend, da dieser „weitgehend von den betrieblichen und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen Rechtsanwaltskanzlei“ abhänge.

Obwohl es also auf den Gewinn ausdrücklich nicht ankommt, berücksichtigt die Richtlinie bei der Ermittlung des Berechnungsfaktors beispielsweise die „Kosten angestellter Rechtsanwälte“ als wertsenkendes Merkmal und hält „überdurchschnittlich niedrige Kosten“ oder „günstiger Mietvertrag der Kanzlei“ oder „geringer Investitionsbedarf“ für werterhöhend.

In der Betriebswirtschaftslehre wird die Anwendung von derartigen Multiplikatoren zur Unternehmensbewertung ganz überwiegend abgelehnt, da der Multiplikator in der Regel nicht auf der Grundlage einer umfassenden Analyse von Referenzunternehmen oder -transaktionen ermittelt wurde. Es handelt sich dabei vielmehr um eine allgemein akzeptierte „Faustregel“, die lediglich als Kontroll- und Vergleichsgröße bzw. als Verhandlungseinstiegswert dienlich sein kann.

Auch nach Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer zählen Umsatzwertverfahren nicht zu den Bewertungsverfahren. Nach Auffassung des IDW können derartig vereinfachte Preis­findungsverfahren nicht an die Stelle einer Unternehmensbewertung treten, sondern allenfalls für eine Plausibilitätskontrolle herangezogen werden: ergebe sich eine Differenz zwischen dem Zukunftserfolgswert und einem zur Plausibilitätskontrolle anhand einer vereinfachten Preisfindung ermittelten Preis für das Unternehmen, so könne dies ein Anlass sein, neben den zur Plausibilitätskontrolle herangezogenen Größen auch die der Unternehmensbewertung zugrunde gelegten Ausgangsdaten und Prämissen kritisch zu überprüfen und – soweit dabei gewonnene bessere Erkenntnisse (z.B. in Bezug auf die Ertragserwartungen) dies erfordern – zu korrigieren.

Als Grundlage für eine Entscheidung halten wir das Umsatzwertverfahren für wenig hilfreich, schon weil nicht klar ist, welche Frage es eigentlich beantworten soll. Entspricht der so ermittelte “Wert” dem typisierend zu erwartenden Rückfluss bei Erwerb dieses Umsatzes? Wir wissen es nicht.“

In Vorbereitung des oben genannten Buchs hatte ich die zuständige Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) angeschrieben, weil der Ausschuss seit BRAK-Mitt. 6/2009, S. 268 ff. nichts mehr von sich hatte hören lassen und ich wissen wollte, ob dort mittlerweile vielleicht Einsicht eingekehrt sei.

Meine eMail blieb unbeantwortet, aber in den BRAK-Mitteilungen 1/2008 S.6 ff. hat der Ausschuss Bewertung von Anwaltskanzleien nun seine Richtlinien aktualisiert.

Dass unsere kritische Auseinandersetzung mit den Richtlinien der BRAK in der Liste der weiterführenden Literatur nicht auftaucht ist zu verschmerzen – dass die Kammer Kritik nicht besonders goutiert, ist bekannt.

Aber dass die BRAK ihre zumindest für einen Käufer weitgehend wertlose und betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigende „Methode“ weiterhin propagiert ist dann doch schade – dafür hängt einfach zu viel daran.