Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung

Wie Sie den Sanierungsberater in der Krise bezahlen können

Die Insolvenzanfechtung ist ganz böse, das weiß jeder.

Deswegen hat der Gesetzgeber auch mit dem "Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz (InsoAnfÄndG) vom 29.03.2017 daran herumgedokert. Die Änderungen gelten für Insolvenzverfahren die ab 5. April 2017 eröffnet worden sind.

Ganz besonders böse ist § 133 InsO. Dessen unveränderter Absatz 1 lautet:

"Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte."

Im Klartext: wenn der Schuldner mich auf Kosten der anderen Gläubiger bevorzugt hat und ich wusste, dass die anderen insoweit in die Röhre gucken, muss ich das Erhaltene zurückgeben.

Ein Problem ist die klassische Sanierungsberatung oder genauer, die Rechnung des Sanierungsberaters, denn natürlich weiß der, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht und auch, dass es die anderen Gläubiger benachteiligt, wenn seine Rechnung gezahlt wird - denn dann ist das Geld ja beim Sanierungsberater und nicht bei den anderen Gläubiger.

In einem vom Landgericht Würzburg entschiedenen Fall hat der Insolvenzverwalter genau aus diesem Grund vom Sanierungsberater das Honorar zurückgefordert. Der war auf Initiative einer Bank mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden, das für die Bank die Grundlage ihrer Finanzierungsentscheidung bilden sollte.

Zeigen Sie dem Insolvenzverwalter die rote KarteDas Gericht hat die Klage allerdings abgewiesen (71 O 1592/16 Ins) und die Leistungen des Sanierungsberaters für notwendige bzw. betriebsnotwendige Leistungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu bargeschäftsähnlichen Zahlungsvorgängen im Rahmen der Vorsatzanfechtung gehalten; aus meiner Sicht zu Recht.

Das Gericht schreibt:

"Die Erstellung eines Sanierungskonzepts bzw. einer Fortführungsprognose i.S. des § 19 InsO war ein betriebsnotwendiges Geschäft aus Sicht der jetzigen Insolvenzschuldnerin, weil diese Leistungen zur Fortführung des Unternehmens notwendig waren.

Außergerichtliche Sanierungen sind i.d.R. von intensiven und zum Teil langwierigen Verhandlungen zwischen den Beteiligten geprägt. Es ist anerkennt, dass es losgelöst ob es sich um Kapitalbeiträge der Gesellschafter, Tilgungsstundungen der Finanzierer, Zahlungszielverlängerungen der Lieferanten oder um Verzichte der Arbeitnehmer handelt, die rechtswirksame Einigung auf die erforderlichen Sanierungsbeiträge aus rechtlichen Gründen nur auf der Grundlage eines tragfähigen, i.d.R. von einem unabhängigen Experten erstellten Sanierungskonzepts erfolgen (vgl. Andersch/Philipp, NZI 2017, 782).

Auch kann ein Kreditinstitut bei Beachtung dieser Anforderungen einen Sanierungskredit gewähren, ohne sich einem begründeten Sittenwidrigkeitsvorwurf, einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung oder der Gefahr auszusetzen, dass ein Dritter einen Anspruch wegen Gläubigergefährdung realisieren kann (BGH, NJW 1998, 1561; OLG Köln, Urt. v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013). Auch insoweit ist anerkannt, dass das Konzept von einem unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmann erstellt und überprüft worden sein sollte.

An der Betriebsnotwendigkeit der Leistungen eines externen Beraters im Rahmen der Prüfung einer Sanierung bzw. Fortführung des Unternehmens bei Liquiditätsproblemen oder drohender Zahlungsunfähigkeit besteht daher kein Zweifel."

Die Sanierungsberaterin hat ihre jeweiligen Rechnungen auch zeitnah zur jeweiligen Leistungserbringung erstellt und die Schulkdnerin hat sie bezahlt. Daher hat das Gericht eine bargeschäftsähnliche Situation angenommen.

Insgesamt ließt sich das Urtei wie ein "Kochbuch" für die Beauftragung und Abrechnung von Beratungsleistungen in der Unternehmenskrise.

Apropos: wenn es "eng" wird bei Ihnen, vereinbaren Sie einen Beratungstermin mit uns oder noch besser: sorgen Sie vor mit unserem Flyer Risikocheck für Unternehmen .


Richter Frank Frind

Richter gegen Gericht 1:1 (vorläufig)

Ein Hamburger Insolvenzrichter war, wenn man so kalauern will, von seinem Job als Insolvenzrichter "delistet" worden und soll sich fortan nur noch um Zivilverfahren kümmern. Der Vorgang hatte aus mehreren Gründen hohe Wellen geschlagen, nicht zuletzt, weil er auch die Frage der Unabhängigkeit der Justiz betrifft - ich hatte darüber berichtet.

Gegen diese Änderung des Geschäftsverteilungsplans hatte der Richter im Wege einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht Hamburg geklagt - und verloren.

Vor dem Oberverwaltungsgericht verfolgte er sein Anliegen weiter. Der in dieser Sache ergangene Beschluss des 3. Senats des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 25.06.2018 (3 Bs 73/18) ist sehr lesenswert.

Wie in vielen guten Geschichten geht es auch in dieser um Macht und Liebe. Das Oberverwaltungsgericht setzt sich nämlich nicht nur mit den Fragen der Gerichtsverwaltung auseinander, sondern beleuchtet auch sehr sorgfältig die Entscheidung des Präsidiums des Amtsgerichts, das den Geschäftsverteilungsplan geändert hat. Und darin wird die gesamte Dimension des Falles deutlich:

In der Tischvorlage des Präsidiums zur Sitzung in der die Entscheidung über den Geschäftsverteilungsplan gefällt wurde, hieß es:

„Insolvenzrichter arbeiten sehr eng mit einem kleinen Kreis von Verwaltern zusammen, die um teilweise extrem lukrative Aufträge konkurrieren und in hohem Maße wirtschaftlich abhängig von Aufträgen des Gerichts sind. Noch mehr als in jedem anderen Rechtsgebiet müssen Richter deshalb neben den notwendigen exzellenten Fachkenntnissen über ein besonderes Maß von persönlicher Integrität und Neutralität verfügen, um jeden Anschein sachwidrigen oder gar willkürlichen Umgangs mit dieser Verantwortung zu vermeiden." [Rz 16]

Diese Anforderungen sah das Präsidium vorliegend nicht erfüllt.

"Es [gemeint ist das Präsidium, Anm. d. Verf.] erkennt aufgrund weiterer „im Zuge dieses Verfahrens“ bekannt gewordener Fälle erkennbare Muster [beim Verhalten des Richters, Anm. d. Verf.], sachlich geäußerte abweichende Meinungen zu rechtlichen Fragestellungen durch „Abstrafung“ in der Bestellungspraxis zu sanktionieren, was ein „Defizit eines verantwortungsvollen Umgangs mit richterlicher Macht“ in der Person des Antragstellers offenbare." [Rz. 40]

Trotz Änderung des Geschäftsverteilungsplans sei dennoch nicht richtig gewesen, urteilt das Oberverwaltungsgericht, da es sich um eine verdeckte Disziplinarmaßnahme gegenüber den Richter gehandelt habe. Und das Oberverwaltungsgericht sorgt auch dafür, dass die Spannung bis zur Entscheidung über die Hauptsache hält:

"Es wird im Wege einstweiliger Anordnung festgestellt, dass der Antragsteller dem am 12. Dezember 2017 vom Präsidium des Amtsgerichts Hamburg beschlossenen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2018 vorläufig insoweit nicht nachzukommen hat, als ihm darin ein zivilrechtliches Pensum von mehr als 30 % zugewiesen worden ist"

Schalten Sie auch nächstes Mal wieder ein, wenn Sie wissen wollen, was der Gerichtspräsident sich bis dahin einfallen lässt und was der Richter mit 70% bezahlter Tagesfreizeit tun wird.


Drache (Symbolfoto)

Wie der Fiskus sich hinter Datenschutz versteckt, damit er nicht zahlen muss

Datenschutz ist eine tolle Sache. Nicht so toll ist es, wenn der Staat den Schutz von Daten vorschiebt, um sich lästige Ansprüche vom Leib zu halten. So gerade passiert mit missliebigen Ansprüchen von Insolvenzverwaltern.

Im Vorfeld einer Insolvenz sind es meistens die Krankenkassen und das Finanzamt, die gegen den späteren Schuldner vollstrecken. Klar, die können sich ja auch ihre Vollstreckungstitel ruck, zuck selber machen.

Wenn es dann zu einer Insolvenz kommt, können Vollstreckungen die kurz vor Antragstellung erfolgt sind, im Rahmen der Insolvenzanfechtung rückgängig gemacht werden. Der Insolvenzverwalter fordert den vollstreckten Betrag zur Insolvenzmasse, wo er die Quote für alle Insolvenzgläubiger erhöht (aber auch die Vergütung des Insolvenzverwalters).

Manchmal weiß der Insolvenzverwalter nicht, ob Geld im Anfechtungszeitraum an die Finanzverwaltung geflossen ist. In diesem Fall helfen ihm die Informationsfreiheitsgesetze (IFG) der Länder weiter; danach hat jede Person einen Anspruch auf Auskunft (für "normale" Menschen gibt es hier eine Plattform dafür).

Dass die Finanzämter dem Insolvenzverwalter sagen mussten, was Sie dem Schuldner abgeknöpft haben, nur damit dieser es ihnen dann abknöpft, hat die Finanzverwaltung natürlich genervt. Und so kam zeitgleich mit der DSGVO § 32a AO in der jetzt gültigen Fassung ins Gesetz.

Da heißt es:

Die Pflicht der Finanzbehörde zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht ergänzend zu der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahme dann nicht, wenn die Erteilung der Information über die beabsichtigte Weiterverarbeitung oder Offenbarung [...] den Rechtsträger der Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der der Verteidigung gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe j der Verordnung (EU) 2016/679 beeinträchtigen würde und die Finanzbehörde nach dem Zivilrecht nicht zur Information verpflichtet ist. (Hervorhebung von mir)

Dazu gibt es ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen in dem genau steht, welche Ansprüche der Staat loswerden will, nämlich

"z. B. Amtshaftungsansprüche, Schadenersatzansprüche, Insolvenzanfechtungsansprüche" (Rn 48)

Tja, so kann man es natürlich auch machen.


Polizeiauto für Filmaufnahmen - mit

Kreative Bilanzierung in der Krise - so nicht (Bankrott, Kreditbetrug)

Mit Lagerbeständen und halbfertigen Leistungen wird zum Jahresende gerne ein wenig getrickst - werden diese in der Bilanz höher angesetzt, ist der Gewinn höher bzw. der Verlust kleiner. Werden sie niedrig angesetzt ist es andersherum.

Das Gesetz sieht dafür extra ein paar Möglichkeiten zur Gestaltung vor. Wie es definitiv nicht geht, lese ich gerade in der Akte auf meinem Schreibtisch. Dort heißt es im Bericht des Insolvenzverwalters:

"Die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin wies zum 31.12.2017 Warenvorräte mit einem Buchwert in Höhe von 694.513,66 € aus.

Dabei handelte es sich um Ersatzteile für Abbruchmaschinen unterschiedlicher Hersteller. Es handelte sich um angesammelte Teile der letzten 15 Jahre, insbesondere aber auch aus gebrauchten Maschinen ausgebaute Teile, aus im Zuge des Verkaufs von Neumaschinen angekaufte Altmaschinen und aus sonstigen Bauteilen für Abbruchgeräte.

Die Bewertung der eingelagerten Gegenstände war im Unternehmen durchgängig zu Einkaufspreisen erfolgt. Das galt selbst hinsichtlich der in Zahlung genommenen Altgeräte. Abschreibungen oder Wertberichtigungen hatten zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.

Im Bestand befanden sich ferner Ersatzteilpositionen, die bereits vor 10 Jahren eingekauft worden waren und seitdem keine Verwendung gefunden hatten. Dazu gehörten z.B. Ersatzteile für Maschinen, die bereits vom Hersteller nicht mehr gebaut wurden. Auch hinsichtlich dieser Positionen waren keine Wertberichtigungen vorgenommen worden.

Diese Vorgehensweise könnte damit im Zusammenhang gestanden haben, dass entsprechende Abschreibungen und Wertberichtigungen die Überschuldungsituation der Schuldnerin deutlich früher offenbart hätten."

Der Insolvenzverwalter konnte trotz einiger Mühen keinen Käufer für die Teile finden und nur den Schrottwert realisieren.

Ich hatte neulich schon einmal über einen Fall berichtet, in dem der Bericht eines Insolvenzverwalters eine Einladung an den Staatsanwalt war - hier ist es wieder so.

Diesmal steht auf der Einladung § 265b StGB - Kreditbetrug - und § 283 StGB - Bankrott. In beiden Fällen geht es um falsche Bilanzen, also solche, die nicht dem Handelsrecht entsprechen.

Beim Kreditbetrug verwendet man diese, um einen Kredit zu bekommen oder zu behalten; das schlägt mit maximal 3 Jahren Freiheitsstrafe zu Buche.

Etwas mehr, nämlich Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, "kostet" der Bankrott. Für diesen gibt es mehrere Begehungsmöglichkeiten - eine davon ist, bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit entgegen dem Handelsrecht Bilanzen so aufzustellen, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird.

Und - nur der Vollständigkeit halber - natürlich sind beides Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs.2 BGB - der Geschäftsführer haftet also den Gläubigern persönlich auf Schadensersatz.

Wenn's läuft, dann läuft's.

Neugierig, was das für ein Auto auf dem Beitragsbild ist?


Marodes Auto

D&O-Versicherung muss bei Insolvenzansprüchen nicht zahlen

Die Managerhaftpflichtversicherung – meistens D&O-Versicherung genannt - ist eine spezielle Variante der Vermögensschadenhaftpflicht, bei der leitende Angestellte und Organe eines Unternehmens gegen die finanziellen Folgen von Vermögensschäden abgesichert werden. Wenn ein Manager einen Fehler macht, sollen er durch die Haftungsansprüche nicht ruiniert werden.

Falls es zu einem Schaden kommt, tritt der Manager normalerweise seinen Freistellungsanspruch gegen die Versicherung an das geschädigte Unternehmen ab.

Ob das überhaupt zulässig ist, war streitig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das in zwei Entscheidungen aber bejaht (Urteil vom 13.04.2016 – IV ZR 304/13 und Urteil vom 13.04.2016 – IV ZR 51/14). Dem Argument, dass hierdurch ein hoher Anreiz zum Missbrauch von D&O-Versicherungen durch das Zusammenwirken der Beteiligten geschaffen wird, tritt der BGH entgegen.

Aus Sicht des Geschädigten ist eine D&O-Versicherung auch etwas feines, denn dann ist wenigstens sichergestellt, dass der Schädiger leistungsfähig ist.

Der Klassiker für D&O-Fälle ist - neben Compliance-Verstößen - die Haftung des Geschäftsführers aus § 64 GmbHG für Zahlungen im Vorfeld der Insolvenz (Beispiele zu § 64 GmbHG finden Sie hier).

Hiermit hat sich der für Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen zuständige 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) in seinem Urteil am 20.07.2018 befasst (I-4 U 93/16). Danach umfasst der Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung nicht den Anspruch einer insolvent gewordenen Gesellschaft gegen ihren versicherten Geschäftsführer auf Ersatz insolvenzrechtswidrig geleisteter Zahlungen der Gesellschaft gemäß § 64 GmbH-Gesetz.

Im zu entscheidenden Fall war die Geschäftsführerin einer GmbH gemäß § 64 GmbH-Gesetz erfolgreich von dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft in Anspruch genommen worden, da die GmbH nach Eintritt der Insolvenzreife noch Überweisungen in Höhe von über 200.000 € ausgeführt hatte. Der Insolvenzverwalter hatte ein dementsprechendes rechtskräftiges Zahlungsurteil gegen die Geschäftsführerin erwirkt.

Diese Forderung hatte die Geschäftsführerin bei ihrer Versicherung angemeldet und verlangte Freistellung. Nach ihrer Auffassung habe ihre D&O-Versicherung auch für solche gegen sie gerichtete Haftungsansprüche aufzukommen.

Nach Auffassung des OLG ist der geltend gemachte Anspruch schon grundsätzlich kein vom Versicherungsvertrag erfasster Anspruch. Der Haftungsanspruch gemäß § 64 GmbH-Gesetz sei mit dem versicherten Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Vermögensschadens nicht vergleichbar. Es handele sich vielmehr um einen „Ersatzanspruch eigener Art“, der allein dem Interesse der Gläubigergesamtheit eines insolventen Unternehmens dient. Die Gesellschaft erleide schließlich durch insolvenzrechtswidrige Zahlungen nach Insolvenzreife keinen Vermögensschaden, da ja eine bestehende Forderung beglichen werde.

Nachteilig wirke sich die Zahlung an bevorzugte Gläubiger nur für die übrigen Gläubiger aus. Die D&O-Versicherung sei jedoch nicht auf den Schutz der Gläubigerinteressen ausgelegt.

Der Haftungsanspruch gemäß § 64 GmbH-Gesetz sei auch deshalb nicht mit einem Schadensersatzanspruch vergleichbar, da verschiedene Einwendungen, die im Schadensersatzrecht erhoben werden können, bei § 64 GmbH-Gesetz nicht vorgesehen seien.

Das Urteil hat eine erhebliche praktische Bedeutung. Auch wenn Sie als Geschäftsführer eine D&O-Versicherung haben, heißt das also nicht, dass Sie auf der sicheren Seite sind – lassen Sie sich im Vorfeld einer Krise beraten.

Quelle: Justiz NRW


Verdiente Rente am Meer (Symbolbild)

Unternehmensnachfolge: Hilfen und Förderprogramme des Bundes

Sie denken über eine Unternehmensnachfolge oder eine Betriebsübernahme nach? Dann möchten wir Ihnen einen Blick in die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf eine Kleine Anfrage von Mittelstandspolitikern der Grünen nahelegen (BT-Drucksache 1912608).

Darin geht es darum, wie es um Unternehmensnachfolgen in Deutschland insgesamt bestellt ist und was die Bundesregierung tut (und lässt) um Übergebern und Nachfolgern zu helfen.

Das Thema hat durchaus eine gewisse Bedeutung, nicht nur für Sie, sondern für die Wirtschaft insgesamt: Nach den vom Ministerium zitierten Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn stehen im Zeitraum 2018 bis 2022 rund 150.000 Unternehmen in Deutschland zur Übergabe an. Durchschnittlich werden je 1.000 Unternehmen in diesem Zeitraum 43 Unternehmen die Übergabe vorbereiten.

Schade ist, dass die Bundesregierung weder etwas dazu sagen kann, wie viele Unternehmen in den vergangenen Jahren dichtgemacht haben, weil sie keinen Nachfolger gefunden haben und das auch für die Zukunft nicht prognostizieren kann. Daten um regionale und branchenspezifischen „Engpässe im Nachfolgegeschehen“ abschätzen zu können, hat sie auch nicht. Na ja.

Trotzdem meint die Regierung, dass Sie alles richtig macht und die bestehenden Informations- und Förderangebote ausreichen. An mangelnder Unterstützung liege es jedenfalls nicht, wenn die Firmen schließen müssten. Sie schreibt:

 

„Die Gründe für das Scheitern von Unternehmensnachfolgen sind vielfältig und finden sich überwiegend bereits im Vorfeld der geplanten Übergabe.

Zentral ist vor allem die Fehleinschätzung der Zukunftsfähigkeit und damit des Wertes des eigenen Unternehmens seitens der Übergeberin oder des Übergebers.

Studien belegen, dass die Mehrzahl der Alteigentümer den Wert ihres Unternehmens teils erheblich überschätzen. Dies hat zur Folge, dass sich kaum ein Nachfolger findet, weil es ökonomisch nicht sinnvoll ist, das Unternehmen fortzuführen oder sich der Nachfolge- und Verhandlungsprozess verzögert, weil Übernahmeinteressierte nicht bereit sind, den geforderten Kaufpreis zu zahlen.

Zusätzlich kann es sich in diesem Zusammenhang negativ auswirken, wenn Alteigentümer den Übergabeprozess immer weiter hinauszögern und gleichzeitig Investitionen in die Zukunft des Unternehmens einschränken oder unterlassen. Damit reduzieren sie tendenziell die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.“ (Hervorhebungen von mir)

 
Das ist alles richtig, aber nach unserer Beobachtung nur die halbe Wahrheit.

Das fängt schon damit an, dass viele Unternehmer überhaupt keine Idee haben, wie sie eine Unternehmensnachfolge angehen sollen und gefühlt vor einem riesigen Berg stehen. Hier braucht es nach unserer Auffassung mehr niedrigschwellige Angebote und „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Am Geld liegt es jedenfalls nicht in erster Linie. Aus den diversen Kreditprogrammen von ERP und KfW (ERP-Gründerkredit und KfW-Unternehmerkredit ohne Regionalförderung) wurden 2017 immerhin 33.560 Unternehmen gefördert mit 9,13 Mrd. € gefördert. Außerdem wurden im gleichen Jahr 1.612 Bürgschaften für Unternehmen über insgesamt 327,6 Mio. € gegeben.

Das scheint gut investiertes Geld zu sein, denn Analysen zum Programm „ERP-Kapital für Gründung" hätten gezeigt, dass zum einen Betriebsübernahmen weit weniger von Ausfällen betroffen sind (16 Prozent) als Neugründungen (23 Prozent) und zum anderen weisen bei geförderten Übernahmen die Unternehmen nach dem dritten Geschäftsjahr signifikant bessere Bonitätsbewertungen auf und die Ausfallraten sind geringer als bei Neugründungen.

Sie wollen wissen, wie Sie eine Unternehmensnachfolge umsetzen?


Trüffel

Verhandeln wie die ganz Großen

James Sebenius, Nicholas Burns und Robert Mnookin haben ein Buch über Henry Kissinger geschrieben, der das Vorwort beigesteuert hat. Es heißt "Kissinger the Negotiator - Lessons from Dealmaking at the Highest Level" und kostet um die zwanzig Euro.

Die Autoren haben analysiert, wie Kissinger in der internationalen Politik auf dem diplomatischen Parkett agiert hat und ob sich dies auf die Verhandlungen im geschäftlichen Umfeld übertragen lässt.

Als wesentliches Element haben die Verfasser herausgearbeitet, dass Kissinger bei entscheidenden Verhandlungen zum einen aus einer Gesamtstrategie auf die Angelegenheit blickte ("Zooming Out") und - in einem iterativen Prozess - auf die individuelle Perspektive seines Verhandlungspartners wechselte ("Zooming In").

Die Erkenntnis, dass die Zusammenführung von strategischer und zwischenmenschlicher Perspektive ein Schlüssel ist, um in Verhandlungen die eigenen Ziele zu erreichen, ist sicher keine bahnbrechende Erkenntnis. Trotzdem ist es unterhaltsam, dies anhand von Anekdoten präsentiert und aufbereitet zu bekommen.


KO - Symbolbild

Offene Kommunikation mit der Hausbank? Ja/Nein/Vielleicht

Man kann ja überall lesen, dass man mit seiner Hausbank offen kommunizieren soll. Dass das aber auch nach hinten losgehen kann, zeigt der Bericht des Insolvenzverwalters, den ich gerade auf meinem Schreibtisch habe:

"Nachdem im Verlauf des Jahres 2017 erneut erhebliche Umsatzrückgänge zu verzeichnen waren, in deren Folge weitere betriebswirtschaftliche Verluste aufliefen und sich daraus unweigerlich bereits erste, aber durchaus erhebliche Liquiditätsengpässe ergaben, war die Schuldnerin in Verhandlungen mit ihrer Hausbank eingetreten, um weiteres Fremdkapital zur Überbrückung der Liquiditätskrise zu erhalten.

Diese Bemühungen blieben jedoch letztlich im Ergebnis ohne Erfolg. Es kam vielmehr infolge der offenen Kommunikation mit der Hausbank zur Rückbuchung von Lastschriften, mit denen die monatlichen Raten aus bestehenden Miet-, Leasing und Finanzierungsverträge für die Fahrzeuge abgebucht worden waren."

Was lässt sich daraus lernen? Zum Beispiel, dass man bei der Finanzkommunikation mit der Bank immer einen Plan haben muss, wo es hingehen soll und einen "Plan B", falls die Bank das anders sieht. Außerdem schadet es nicht, wenn die Bank möglichst wenige Sicherheiten hat, die sie im Krisenfall zu Geld machen kann - das gibt allen das Gefühl, im selben Boot zu sitzen.


Reminiszenz an

BFH: Sanierungsgewinne bei Altfällen trotz neuem BMF-Schreiben steuerpflichtig

Wenn Gläubiger auf Forderungen verzichten, entsteht ein so genannter Sanierungsgewinn.

Früher waren derartige Sanierungsgewinne steuerfrei - dies regelte der Sanierungserlass. Im November 2016 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und daher nicht mehr angewendet werden darf.

In der Folge wies das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Finanzämter an, dass für Altfälle - also solche, bei denen der Sanierungsgewinn bis zur Veröffentlichung des Urteils des BFH im November 2016 entstanden ist - der Sanierungserlass weiter anzuwenden ist.

Darauf hin entschied der BFH am 23. August 2017 dass der Sanierungserlass auch auf Altfälle nicht mehr angewendet werden darf. Bis hierher lesen Sie alles dazu hier.

Das passte augenscheinlich der Finanzverwaltung nicht und so bestimmte am 29. März 2018 das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder, dass auch das Urteil des BFH vom August 2017 auf andere Fälle nicht anzuwenden ist.

Na ja, nun hat der Bundesfinanzhof hat sich in seinem Beschluss vom 16.4.2018, X B 13/18 erneut mit einem Altfall befasst und - wenig überraschend - geurteilt:

1. Die im BMF-Schreiben vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) [Anm.: der erste Nichtanwendungserlass des BMF] vorgesehene weitere Anwendung des sog. Sanierungserlasses auf Altfälle ist aufgrund des Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Übergangsregelung mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar (Bestätigung der bisherigen BFH-Rechtsprechung; vgl. Urteile vom 23. August 2017 I R 52/14, BFHE 259, 20, BStBl II 2018, 232, und X R 38/15, BFHE 259, 28, BStBl II 2018, 236).

2. Die Wiederholung der Verwaltungsauffassung durch das BMF-Schreiben vom 29. März 2018 (BStBl I 2018, 588) [Anm.: der zweite Nichtanwendungserlass des BMF] ändert daran nichts.

Aktuell steht es also 2:0 für den BFH. Das ist genau mein Humor.

Die Sanierung von Unternehmen macht das aber nicht einfacher - jedenfalls solange die Europäische Kommission weiter darüber nachgrübelt, ob die § 3a EStG und § 7b GewStG - die künftig Sanierungsgewinne steuerfrei stellen sollen - unerlaubte Beihilfen sind. Bis dahin bleibt es eine Hängepartie für die Betroffenen.


GmbH: Einlageleistung und gleichzeitig entgeltliche Dienstleistung

Vor geraumer Zeit hatte ich einen Fall geschildert, bei dem es darum ging, ob ein GmbH-Gesellschafter sich die Stammeinlage über einen Dienstleistungsvertrag zurückholen kann (siehe hier).

Heute war nun mündliche Verhandlung vor dem Landgericht in dem oben geschilderten Fall.

Der Bundesgerichtshof hatte schon 2009 entschieden, dass es bei Gründung oder Kapitalerhöhung einer GmbH zulässig ist, dass ein Gesellschafter eine Bareinlage übernimmt und sich zugleich gegenüber der Gesellschaft zur Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt verpflichtet (Urteil vom 16.02.2009, II ZR 120/07, "Qivive").

Damit war klargestellt, dass der Abschluss von Dienstverträgen mit Gesellschaftern - insbesondere Geschäftsführeranstellungsverträgen - der Erfüllungswirkung der Bareinlagepflicht nicht entgegensteht. Nicht zulässig ist es aber, wenn Einlagemittel gerade für die Zahlungen an den Gesellschafter "reserviert" werden.

So weit, so unstreitig. Hier war allerdings die entscheidende Frage, ob der mit dem Gesellschafter - seines Zeichens Anwalt - geschlossene Beratervertrag einem Fremdvergleich standhält; in dieser Form also auch mit einem unbeteiligten Dritten geschlossen worden wäre.

Im vorliegenden Fall hielt das Gericht den Vertrag für "grenzwertig" und sah in ihm keine geeignete Grundlage, um die Rückzahlungen an den Gesellschafter zu rechtfertigen (allerdings nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die nächste Instanz das natürlich ganz anders sehen könne).

Vor allem stieß sich das Gericht an den folgenden Punkten

  • der Gesellschafter-Anwalt war aus dem Vertrag nicht zu irgendeiner Tätigkeit verpflichtet,
  • die Kündigung war für eine Laufzeit von einem Jahr nur aus wichtigem Grund möglich, also wenn das Festhalten an dem Vertrag unzumutbar ist,
  • die vereinbarte Pauschalvergütung war dem Gericht sogar angesichts des im Prozess behaupteten "prognostizieren Tätigkeitsumfangs" zu hoch.

Na ja, das war für mich keine Überraschung. Wer würde schon mit einem Anwalt einen Jahresvertrag abschließen, in dem steht

"Die Rechtsanwälte erhalten unabhängig vom tatsächlichen Tätigkeitsumfang ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 5.000,00 Euro netto zzgl. der gesetzl. MwSt."

Für Gesellschafter bedeutet das, dass sie bei Verträgen zwischen sich und der Gesellschaft besonders sorgfältig vorgehen müssen und vor allem die zu erbringenden Leistungen und die dafür zu zahlenden Vergütung klar und eindeutig definieren müssen.