Wie berechnet sich die Vergütung des Insolvenzverwalters

Mit Beschluss vom 01.03.2019 hat das Amtsgericht Charlottenburg die Vergütung und Auslagen des Sachwalters der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG festgesetzt (Aktenzeichen: 36a IN 4295/17). Der Beschluss kann über die Seite insolvenzbekanntmachungen aufgerufen werden.

Die Presse berichtet, dass es um rd. 22 Mio. € netto geht. Das finden offenbar nicht alle Gläubiger angemessen - zumindest ein Gläubiger hat hiergegen Beschwerde eingelegt.

Aber wie berechnet sich die Vergütung in Insolvenzverfahren überhaupt?

Vergütung des Insolvenzverwalters

Am einfachsten ist es, mit der Vergütung des Insolvenzverwalters anzufangen. Rechtsgrundlage ist die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV).

Berechnungsgrundlage für die Vergütung ist der Wert der Insolvenzmasse. Dabei gibt es ein paar Besonderheiten in § 1 Abs.2 InsVV auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll.

Auf die Berechnungsgrundlage wird gemäß § 2 InsVV die folgende Staffelvergütung angewendet, um die so genannte Regelvergütung zu ermitteln:

  1. von den ersten 25.000 Euro der Insolvenzmasse 40 vom Hundert,
  2. von dem Mehrbetrag bis zu 50.000 Euro 25 vom Hundert,
  3. von dem Mehrbetrag bis zu 250.000 Euro 7 vom Hundert,
  4. von dem Mehrbetrag bis zu 500.000 Euro 3 vom Hundert,
  5. von dem Mehrbetrag bis zu 25.000.000 Euro 2 vom Hundert,
  6. von dem Mehrbetrag bis zu 50.000.000 Euro 1 vom Hundert,
  7. von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,5 vom Hundert.

Bei einer Bemessungsgrundlage von 700.000 Euro beträgt die Regelvergütung 41.750 Euro netto (25.000 Euro * 40% + 25.000 Euro * 25% + 200.000 Euro * 7% + 250.000 Euro * 3% + 200.000 Euro * 2%).

Hinzu kommen Zu- oder Abschläge, die in § 3 InsVV geregelt sind. Zuschläge können beispielsweise geltend gemacht werden, wenn Unternehmen fortgeführt wurden oder arbeitsrechtliche Fragen den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben. In den einschlägigen Kommentaren werden dutzende Zuschlagsgründe dargestellt.

Im Fall der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG hat der Verwalter eine ganze Reihe von Zuschlägen beantragt, unter anderem aufgrund mehrerer Standorte, auch im Ausland, einer weit überdurchschnittlichen Unternehmensgröße, Aufnahme eines Massedarlehens in erheblicher Höhe, Zusammenarbeit mit dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss, international geführter, besonders aufwendiger Investorenprozess und Vorbereitung und Begleitung einer übertragenden Sanierung. Unter Berücksichtigung etwaiger Überschneidungen und eines Abschlags wegen der vorzeitigen Beendigung des Amtes macht der Verwalter einen Zuschlag von 65% geltend.

Dieser Zuschlag wird auf die Regelvergütung angewendet - im obigen Beispiel würde die Vergütung 68.887,50 Euro netto betragen (41.750 Euro * 1,65).

Neben dieser Vergütung erhält der Verwalter seine Auslagen ersetzt. Dabei kann er entweder die tatsächlich entstandenen Auslagen geltend machen oder einen Pauschsatz fordern, der typischerweise 30 % der Regelvergütung (ohne Zuschläge) beträgt - im obigen Beispiel also 12.525 Euro.

Damit betragen Honorar und Auslagen in unserem Beispiel 81.412,50 Euro netto, 96.880,88 Euro brutto.

Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters

Wenn es einen vorläufigen Insolvenzverwalter gegeben hat, erhält dieser eine separate Vergütung - auch wenn es die gleiche Person war, wie der Insolvenzverwalter.

Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält nach § 63 Abs.2 InsO in der Regel 25 % Prozent der (Regel-)Vergütung des Insolvenzverwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Auch hierbei können Zu- und Abschläge entsprechend § 3 InsVV geltend gemacht werden.

Vergütungstechnisch interessant ist, dass in die Berechnungsmasse für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auch der Wert der mit Aus- und Absonderungsrechten belasteten Gegenstände eingerechnet wird, wenn der Insolvenzverwalter sich in erheblichem Umfang mit diesen Gegenständen befasst hat (§ 11 InsVV).

Da die vorläufige Insolvenzverwaltung meist nicht länger als drei Monate dauert, sind die Auslagen dabei regelmäßig gedeckelt aus 250 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit (§ 8 Abs.3 InsVV).

Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters

Und damit sind wir schließlich wieder bei Air Berlin.

Die Vergütung des Sachwalters - um diese ging es hier - regelt § 12 InsVV.

Der Sachwalter erhält gemäß § 12 Abs. 1 InsVV 60 % der Regelvergütung eines Insolvenzverwalters. Der vorläufige Sachwalter erhält - wie der vorläufige Insolvenzverwalter - eine Vergütung von 25 % der Vergütung eines Insolvenzverwalters.

In beiden Fällen können Zu- und Abschläge nach § 3 InsVV und Auslagen nach § 8 InsVV hinzukommen.

 

Die dargestellten Beträge müssen berücksichtigt werden, wenn darüber nachgedacht wird, ob ein Insolvenzverfahren ein sinnvoller Weg sein kann.

Hier haben wir auch schon über die Vergütung in Insolvenzverfahren berichtet:


Unternehmenssanierung: Sanierungsgewinne bald wieder steuerfrei

Bei einer Sanierung verzichten Gläubiger normalerweise auf einen Teil ihrer Forderungen. Das führt bei dem zu sanierenden Unternehmen automatisch zu einem Ertrag, dem so genannten Sanierungsgewinn.

Wie dieser Sanierungsgewinn steuerlich zu behandeln ist, hat direkt Einfluss darauf, ob die Sanierung klapp. Wenn das Unternehmen auf den Forderungsverzicht seiner Gläubiger Steuern bezahlen muss, wird die Liquidität erheblich belastet.

Da das ziemlich widersinnig ist, gab es einen Sanierungserlass, der diese Sanierungsgewinne steuerfrei stellte. Seit 2016 geht es zwischen Bundesfinanzhof und Gesetzgeber zu dieser Frage hin- und her – das ganze noch mit einem europarechtlichen Einschlag.

Nachdem im August 2018 Die EU-Kommission den Sanierungserlass nicht als rechtwidrige Beihilfe eingestuft hat und der Bundesregierung einen „Comfort Letter“ geschickt hatte, konnte die Regierung das Thema nun angehen (Infos hier und hier).

Am Abend des 08.11.2018 hat der Bundestag den Entwurf des „Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ mit den Beschlüssen des Finanzausschusses angenommen (siehe hier, Artikel 19).

Damit werden schon die im Juni 2017 beschlossenen Regelungen in Artikel 2 und 3 Nummer 1 bis 4 sowie Artikel 4 Nummer 1 bis 3 Buchstabe a des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen in Kraft gesetzt.

Wie üblich ist ein anständiger Steuerpararaph ein paar Seiten lang. Die relevanten Passagen lauten:

"Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung in Sinne des Absatzes 2 (Sanierungsertrag) sind steuerfrei."

"Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien Sanierungsertrag [...] in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dürfen [...] nicht abgezogen werden."

Sinngemäß gilt das auch für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer.

Dieses Mal stimmt es auch fast, was ohnehin in allen Gesetzentwürfen steht: "Alternativen: Keine."


KO - Symbolbild

Risiko schlechter Gesellschaftsvertrag - Zoff und Stillstand

Wenn mehrere sich zusammentun, um ein Unternehmen zu gründen, liegt der Fokus normalerweise darauf, das Geschäft an den Start zu bringen. Vor allem um die Finanzierung und um Aufträge müssen sich die Gründer kümmern.

Die rechtliche Gründung passiert oft eher nebenbei. Meist zaubert der Notar ein Muster aus seinem Vorlagenordner das dann in einem launigen Termin von allen unterschrieben wird. Hat gar nicht weh getan.

Die Schmerzen kommen oftmals aber später, wenn es zu unterschiedlichen Vorstellungen über das Geschäft kommt oder zu Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern. Miteinander geht es nicht voran, einander los wird man aber auch nicht.

Schauen Sie Ihren Gesellschaftsvertrag durch und prüfen Sie kritisch, welche Regeln es für Krisenfälle gibt. Ein paar Fragen als Denkanstoß dazu:

  • Ist das Unternehmen noch handlungsfähig, wenn einer mauert oder die Kommunikation verweigert?
  • Kann es bei Abstimmungen Patt-Situationen geben (vor allem in zwei Personen-Gesellschaften)?
  • Sind die Zuständigkeiten klar, falls es mehrere Geschäftsführer gibt? Wenn ja, gibt es Regeln für den Fall, dass es nicht klappt?
  • Gibt es praktikable Mittel um Gesellschafter zu disziplinieren oder - wenn es gar nicht mehr geht – aus der Gesellschaft zu bekommen? Über eine Möglichkeit haben wir hier berichtet.
  • Angenommen, die Buchwertklausel in Ihrem Vertrag wäre wirksam (wenn es eine gibt), was ist Ihr Gesellschaftsanteil wert und würden Sie unter diesen Umständen kündigen? Würden Ihre Mitgesellschafter das tun?

Keine Panik - wir kümmern uns.Und weil Beispiele am besten wirken, hier ein Beispiel aus einer Gerichtsakte (nur die Namen sind geändert). Es geht um eine mittlerweile insolvente GmbH die in den 1970er Jahren gegründet wurde und sehr lange sehr erfolgreich war:

"Wesentliche Ursachen für die Insolvenz der Schuldnerin liegen nach meinen umfassenden Ermittlungen zum einen in einem Umsatzrückgang bei gleichbleibender Kostenstruktur und zum anderen in einer sukzessive eskalierenden, massiven Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern Peter und Klaus Schmidt, welche sich auch auf die Unternehmensentwicklung und deren Betriebsergebnisse ausgewirkt hat.

Diese Auseinandersetzungen führten zu einer gegenseitigen Blockadehaltung, die sich auch auf für den Fortbestand und die Entwicklung der Schuldnerin massiv ausgewirkt hat. Die Geschäftsführung der Schuldnerin wurde zunehmend handlungsunfähig und durch den wachsenden Zeit‑ und Geldbedarf für diese Streitigkeiten gelähmt.

Als Beispiel und wohl auch als Höhepunkt der Auseinandersetzungen sei der Versuch der Abberufung des Geschäftsführers Peter Schmidt durch seinen Bruder und Mitgesellschafter Klaus Schmidt genannt. Der Versuch ist aufgrund der Missachtung formeller Erfordernisse zwar materiell-rechtlich gescheitert. Allerdings ist durch die Kommunikation dieses Vorhabens in Richtung Arbeitnehmer und sonstige Geschäftspartner der Schuldnerin ein erheblicher Schaden entstanden, der finanziell und vermögensrechtlich nur sehr schwer zu bestimmen und kaum zu unterschätzen ist.

Zusätzlicher Liquiditätsbedarf der Schuldnerin konnte durch keinen der Gesellschafter -  welche als Gesellschafter zusätzlich bereits für die Verbindlichkeiten der Schmidt GbR einzustehen hatten und angesichts der verschlechterten Ertragslage auch über geringere Einnahmen verfügten - aufgefangen werden. Zusätzliche Fremdmittel konnten am Kapitalmarkt nicht aufgenommen werden, da hinsichtlich der unternehmerischen Perspektive der Schuldnerin keinerlei Transparenz gegeben war. Der Hausbank der Schuldnerin waren die schwierigen persönlichen Verhältnisse der Beteiligten untereinander hinlänglich bekannt.

Da mindestens keine aktuellen Auswertungen zum Geschäftsbetrieb der Schuldnerin mehr vorgelegt werden konnten, konnte auch kein anderes Kreditinstitut für ein Engagement gewonnen werden."


Schattenriss aus einem Büro

Herausgabe von Anwaltsakten in der Insolvenz (Falle für Mandanten)

Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet, seinem Mandanten auf Verlangen die gesamte Handakte herauszugeben.

Das kann allerdings für Unternehmer auch zum Problem werden, nämlich dann, wenn das Mandat durch ein Unternehmen erteilt wurde und dieses später insolvent wird.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens gehen die Ansprüche aus dem Mandatsverhältnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über (siehe BGH, Beschluss vom 18.6.2018 – AnwZ (Brfg) 61/17; BGH, Urt. v. 30.11.1989 – III ZR 112/88).
Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter befugt ist, beispielsweise Akten herauszuverlangen.

Dabei liegt das Problem darin, dass vor der Insolvenzeröffnung die Geschäftsführer der Organe der Gesellschaft mit dem Anwalt möglicherweise auch über Themen gesprochen haben, die sie nun gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht gerne offenlegen, weil er dies für die Durchsetzung von Haftungsansprüchen nutzen kann.

In seiner Entscheidung vom 17.5.2018 - IX ZR 243/17 – erläutert der Bundesgerichtshof (BGH) dass ausnahmsweise eigene Interessen des Anwalts oder Geheimhaltungsinteressen Dritter dem Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters entgegenstehen können.

Abonnieren Sie kostenlos unseren NewsletterIn der hier relevanten Konstellation kommt ein Auskunftsverweigerungsrecht des Anwalts nur in Betracht, wenn zwischen Anwalt und Geschäftsführer eine besondere Vertrauensbeziehung bestanden hat, die individuell begründet worden ist, z.B. weil der Geschäftsführer ausdrücklich auch um persönliche Beratung gebeten hat oder weil daneben auch ein Mandatsverhältnis mit dem Geschäftsführer besteht.

Dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt, muss der Anwalt so detailliert darlegen, dass der das Richter dies beurteilen kann.

Für den GmbH-Geschäftsführer, der in einer Krise der Gesellschaft einen Beratungsauftrag für die GmbH erteilt, bedeutet dass, dass in dem Mandatsauftrag jedenfalls auch die Beratung der Organe vereinbart sein sollte oder der Geschäftsführer den Anwalt gleichzeitig auch mit der eigenen Beratung beauftragen sollte.

Guter Rat zahlt sich aus.


Hamburg Gericht Sievekingplatz

Betriebsübernahme aus der Insolvenz - Haftung des Erwerbers

Nach § 613a BGB gehen bei einem Betriebsübergang die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen automatisch auf den Erwerber über.

Der Erwerber, der ein insolventes Unternehmens vom Insolvenzverwalter übernimmt, ist im Vorteil: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist seine Haftung hinsichtlich der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung stark eingeschränkt: er haftet nämlich nur für Versorgungsansprüche oder erdiente Anwartschaften, die nach der Insolvenzeröffnung fällig werden.

Dies kann dazu führen, dass Arbeitnehmer niedrigere Betriebsrenten bekommen. Zwei Arbeitnehmer, die deswegen keinen bzw. einen geringeren Anspruch auf eine Betriebsrente erhalten haben, haben gegen den neuen Arbeitgeber geklagt - nach derzeitiger Rechtslage sind sie chancenlos, weil der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung im Insolvenzrecht den Schutz der Arbeitnehmer aushebelt.

Die einschränkende Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB verstößt allerdings möglicherweise gegen europäisches Recht. Die Frage ob dies so ist, hat der dritte Senat des BAG nun in zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.

Die zugehörigen Beschlüsse 3 AZR 139/17 (A) und 3 AZR 878/17 (A) des BAG vom 16.10.2018 sind noch nicht veröffentlicht; hier ist allerdings die entsprechende Pressemeldung des BAG zu finden.

Sollte der Gerichtshof der EuGH die Bedenken des BAG teilen, könnte dies die Übertragung von Unternehmen aus der Insolvenz deutlich schwieriger machen, da der Erwerber dann auch höhere Verpflichtungen übernehmen müsste. 


Foto aus einer maroden Kaserne bei Berlin

Mängel im Insolvenzrecht - Schutzschirmverfahren muss besser werden

Mittlerweile werde ich fast immer, wenn es um eine Unternehmenskrise geht, auf das Schutzschirmverfahren und die Eigenverwaltung angesprochen.

In den allermeisten Fällen, sind beide Verfahren aber leider weder möglich, noch geeignet - trotzdem halten viele es für eine tolle Möglichkeit, einfach und schnell aus der Krise herauszukommen.

"Schuld" daran, sind auch größere Kanzleien, die dies als Geschäftsmodell für sich erkannt haben und damit über die Lande ziehen und offensiv dafür werben. Ein schönes Beispiel dafür, wie das bei Trigema gelaufen ist findet sich hier.

Als die entsprechenden Instrumente 2012 mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen "erfunden" wurden, wurde gleich vereinbart, nach fünf Jahren zu prüfen, ob alles funktioniert wie erhofft.

Nun berichtet die Presse (hier die FAZ, dort das Handelsblatt) über das Ergebnis der im Auftrag des Bundesjustizministerium erstellten aber noch unveröffentlichten Studie.

Diese kommt zu dem Ergebnis, dass das mit dem neuen § 270b in die Insolvenzordnung aufgenommene Schutzschirmverfahren und die Eigenverwaltung Mängel aufweisen.

In den ersten fünf Jahren nach der Einführung des Gesetzes habe es nur gut 1.600 ESUG-Verfahren mit Eigenverwaltung gegeben - gerade einmal rd. 3,5 % an allen deutschen Insolvenzverfahren. Vor allem bei größeren Unternehmen wurde das Verfahren angewandt, mit mehr als 50 Beschäftigten und ab zehn Millionen Euro Jahresumsatz.

Das Handelsblatt schreibt:

Eine „eher skeptische Gesamtbewertung“ des ESUG wird laut Studie „durch die Erfahrung geprägt, dass die vorläufige Eigenverwaltung bei dafür nicht geeigneten Schuldnern angeordnet wurde und dass mit einer Eigenverwaltung hohe Zusatzkosten verbunden gewesen. Vielfach sei festgestellt worden, dass ungeeignete Verfahren mit einer vorläufigen Eigenverwaltung starten und dann in ein Regelverfahren übergehen. Dieser „Wechsel der Verfahrensart führt zu Disruptionen und wirkt zudem kostenerhöhend“, heißt es in dem Bericht. Deutliche Vorteile des Schutzschirmverfahrens werden „eher nicht gesehen“.

Ganz im Ernst: keinen der sich damit auskennt, überrascht dieser Befund. Lassen Sie sich besser seriös beraten. Am besten von uns.


Schwerlasthaken

Unternehmen statt unterlassen (Unternehmensrettung)

Vor auf den Tag genau sechs (!) Monaten hat mich ein Unternehmer angerufen. Er brauche Hilfe - sofort. Er hatte nur begrenzt Überblick über seine Zahlen, aber so viel war klar: seine Unternehmensgruppe war in ernsten Schwierigkeiten.

Die Verbindlichkeiten überstiegen das Vermögen deutlich. Die Liquidität war knapp und die Lieferanten wollten nicht mehr so recht. Ein Tochterunternehmen produzierte jedem Monat Verluste und ein zweites war kurz davor, eingestellt zu werden.

Die Banken waren - wie üblich - mit Globalzessionen und Raumsicherungsübereignung gesichert. Außerdem hatten sie sich Grundschulden an der privaten Immobilien und eine Bürgschaft des Inhabers einräumen lassen. Mit anderen Worten: im Falle einer Insolvenz wäre er auch persönlich ruiniert.

Wir haben die nächsten Schritte genau besprochen und auch, welche Informationen er zusammenstellen soll, damit ich mit seinen Gläubigern eine Lösung aushandeln kann und wir eine übertragende Sanierung hinbekommen. Danach hat er sich nicht mehr bei mir gemeldet.

Heute hat er mich angerufen: von den besprochenen Dingen hat er nichts erledigt, aber das Finanzamt hat wegen Umsatzsteuerschulden das Konto gepfändet, zahlen kann er nicht. Was ich (!) jetzt tun könnte?

Sechs Monate verloren - in der Krisenberatung ist das eine Ewigkeit.

Da kann ich nur noch meine Harry Potter-Ausrüstung aus dem Keller holen. Tarantallegra!


Schild:

Unternehmensnachfolge und Bundesregierung - da geht noch mehr

Sicher lesen Sie sowie alle Drucksachen von Bundesrat und Bundestag.

Falls nicht, will ich Ihnen die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf ein Kleine Anfrage von Mittelstandspolitikern der Grünen nahelegen (BT-Drucksache 1912608).

Darin geht es darum, wie es um Unternehmensnachfolgen in Deutschland insgesamt bestellt ist und was die Bundesregierung tut (und lässt) um Übergebern und Nachfolgern zu helfen.

Das Thema hat durchaus eine gewisse Bedeutung, denn nach Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn stehen im Zeitraum 2018 bis 2022 rund 150.000 Unternehmen in Deutschland zur Übergabe an. Durchschnittlich werden je 1.000 Unternehmen in diesem Zeitraum 43 Unternehmen die Übergabe vorbereiten.

Schade ist, dass die Bundesregierung weder etwas dazu sagen kann, wie viele Unternehmen in den vergangenen Jahren dichtgemacht haben, weil sie keinen Nachfolger gefunden haben und das auch für die Zukunft nicht prognostizieren kann. Daten um regionale und branchenspezifischen „Engpässe im Nachfolgegeschehen“ abschätzen zu können, hat sie auch nicht. Na ja.

Trotzdem meint die Regierung, dass Sie alles richtig macht und die bestehenden Informations- und Förderangebote ausreichen. An mangelnder Unterstützung liege es jedenfalls nicht, wenn die Firmen schließen müssten. Sie schreibt:

„Die Gründe für das Scheitern von Unternehmensnachfolgen sind vielfältig und finden sich überwiegend bereits im Vorfeld der geplanten Übergabe.

Zentral ist vor allem die Fehleinschätzung der Zukunftsfähigkeit und damit des Wertes des eigenen Unternehmens seitens der Übergeberin oder des Übergebers. Studien belegen, dass die Mehrzahl der Alteigentümer den Wert ihres Unternehmens teils erheblich überschätzen. Dies hat zur Folge, dass sich kaum ein Nachfolger findet, weil es ökonomisch nicht sinnvoll ist, das Unternehmen fortzuführen oder sich der Nachfolge- und Verhandlungsprozess verzögert, weil Übernahmeinteressierte nicht bereit sind, den geforderten Kaufpreis zu zahlen.

Zusätzlich kann es sich in diesem Zusammenhang negativ auswirken, wenn Alteigentümer den Übergabeprozess immer weiter hinauszögern und gleichzeitig Investitionen in die Zukunft des Unternehmens einschränken oder unterlassen. Damit reduzieren sie tendenziell die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.“

Das ist alles richtig, aber nach unserer Beobachtung nur die halbe Wahrheit. Das fängt schon damit an, dass viele Unternehmer überhaupt keine Idee haben, wie sie die Sache angehen sollen und gefühlt vor einem riesigen Berg stehen. Hier braucht es nach unserer Erfahrung mehr niedrigschwellige Angebote und „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Am Geld liegt es jedenfalls nicht in erster Linie. Aus den diversen Kreditprogrammen von ERP und KfW (ERP-Gründerkredit und KfW-Unternehmerkredit ohne Regionalförderung) wurden 2017 immerhin 33.560 Unternehmen gefördert mit 9,13 Mrd. € gefördert. Außerdem wurden im gleichen Jahr 1.612 Bürgschaften für Unternehmen über insgesamt 327,6 Mio. € gegeben.

Das scheint gut investiertes Geld zu sein, denn Analysen zum Programm „ERP-Kapital für Gründung" hätten gezeigt, dass zum einen Betriebsübernahmen weit weniger von Ausfällen betroffen sind (16 %) als Neugründungen (23 %) und zum anderen weisen bei geförderten Übernahmen die Unternehmen nach dem dritten Geschäftsjahr signifikant bessere Bonitätsbewertungen auf und die Ausfallraten sind geringer als bei Neugründungen.

Sie wollen wissen, wie Sie die Sache angehen sollen?


Wann es schlauer ist, bei einem Insolvenantrag nichts zu tun

Es gibt so ein paar Klassiker, die immer mal wiederkommen.

Einer dieser Wiedergänger ist, dass ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt, der Schuldner daraufhin seine Schulden bei diesem Gläubiger bezahlt und dann feststellen muss, dass die Zahlung auf den Insolvenzantrag keine Auswirkungen hat, sondern das Verfahren einfach weiterläuft.

Bei Insolvenzanträgen von Krankenkasse ist das Standard - darüber hatte ich vor rund einem Jahr schon einmal geschrieben.

https://www.schnee-gronauer.de/vorsicht-bei-zahlung-nach-insolvenzantrag/

Nun hatte ich wieder so eine Sache auf dem Tisch.

Die Mandanten wollten das auf Betreiben der AOK angeordnete vorläufige Insolvenzverfahren unbedingt loswerden. Ich habe daraufhin mit der Krankenkasse verhandelt und diese hat sich breitschlagen lassen, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, sobald die relativ geringen Rückstände bezahlt sind. Ein Bisschen stolz war ich schon.

Gezahlt haben meine Mandanten am Ende aber doch nicht, denn sie haben meinen Rat beherzigt, und noch einmal darüber nachgedacht, ob es überhaupt eine so gute Idee ist, auf Teufel komm raus an dem Unternehmen festzuhalten.

Ich hatte ihnen nämlich geschrieben:

Nach Antragsrücknahme würden die Sicherungsmaßnahmen aufgehoben werden.

Allerdings müssten Sie die Kosten der vorläufigen Verwaltung tragen. Bemessungsgrundlage ist der Wert der verwalteten Masse - also insbesondere die erzielten Einnahmen, der Wert der Maschinen etc. Sie müssen mit einer Vergütung für den vorläufigen Verwalter in Höhe von rd. 15% der verwalteten Masse rechnen und mit Gerichtskosten in Höhe von etwa 1,5% der  verwalteten Masse.

Allerdings rate ich Ihnen dringend, vor einer Entscheidung zumindest eine grobe Liquiditäts- und Rentabilitätsplanung aufzusetzen, damit nicht in ein paar Wochen das gleiche Problem wieder auftritt.

Was folgte, war eine kritische Analyse des Geschäftsmodells - und das war nicht tragfähig. Da auch keine Anfechtungs- und Haftungsrisiken für die Inhaber bestanden, war hier ein "Ende mit Schrecken" für meine Mandanten viel billiger als ein "Schrecken ohne Ende" - und das gesparte Geld können Sie in ein neues Unternehmen stecken.

Und wenn sie vorher unser Krisenpaket „Last-Minute“ gebucht hätten, wäre es noch billiger geworden.


Straße in Italien - besonders lustin bei Bus-Gegenverkehr

Was muss in einen Sanierungsplan und was nicht? BGH gibt Orientierung

Das Thema Vorsatzanfechtung in der Insolvenz ist ein Dauerbrenner.

Der Tatbestand setzt einen doppelten Vorsatz voraus: Zum einen muss der Schuldner den Vorsatz haben, seine Gläubiger zu benachteiligen - dabei reicht es, wenn er in Kauf nimmt, dass manche Gläubiger nicht alles bekommen. Zum anderen muss der Leistungsempfänger den Gläubigervorsatz des Schuldners kennen. Wenn der Leistungsempfänger weiß, dass bei dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit mindestens droht, wird dies vermutet.

Nach allgemeiner Ansicht spricht die drohende Zahlungsunfähigkeit aber dann nicht für einen Vorsatz, wenn Grundlage der Zahlung ein vom Schuldner erstellter - im Ergebnis gescheiterten - Sanierungsplan war.

Welche Anforderungen, an einen solchen Sanierungsplan gestellt werden, ist allerdigs umstritten.

Das mit unendlicher Weisheit gesegnete Institut der Wirtschaftsprüfer meint und schreibt in seinem IDW S6-Standard, dass es erforderlich sei, dass das zu sanierende Unternehmen nach Abschluss der Sanierung wieder eine marktübliche Rendite erwirtschaften kann. Unter Bezugnahme auf die Meinung des IdW hatte der BGH im Jahr 2016 erfordert, dass durch die Sanierung die Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit wiederhergestellt wird und eine positive Fortführungsprognose begründet wird (BGH vom 12.05.2016, IX ZR 65/14, Rn 41).

Zeigen Sie dem Insolvenzverwalter die rote Karte

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung zum bis zum 05.04.2017 anzuwendenden § 133 InsO (Urteil vom 14.06.2018 - IX ZR 22/15) scheint der BGH davon jedoch teilweise abzurücken und - zumindest in manchen Konstellationen - schon die dauerhafte Abwendung der Insolvenzreife genügen zu lassen.

Interessant ist, dass der BGH noch einmal die Anforderungen an Sanierungspläne zusammenfasst. Das ist zwar nicht direkt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, aber eine ganz gute Orientierungshilfe.

Er stellt klar, dass an einen solchen Sanierungsplan keine bestimmten formalen Anforderungen zu stellen sind. Erforderlich sei aber, dass das Konzept:

  • inhaltlich schlüssig ist,
  • von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht,
  • mindestens in den Anfängen in die Tat umgesetzt ist und
  • die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (die bloße Hoffnung des Schuldners genügt nicht)

Bei einem Sanierungsvergleich müssten weiter

  • Art und Zahl der Gläubiger,
  • die erforderliche Quote des Erlasses der Forderungen,
  • die erforderliche Zustimmungsquote und
  • die Behandlung nicht verzichtender Gläubiger

festgelegt werden.

Soweit es darauf ankommt, sind auch Art und Höhe des einzuwerbenden frischen Kapitals und die Chance, dieses zu gewinnen, darzustellen.

Die teilweise ausufernde Rechtsprechung und die darauf folgende öffentliche Empörung hatte im Jahr 2017 zu einer Gesetzesänderung geführt, die für ab dem 05.04.2017 eröffnete Insolvenzverfahren gilt. In dem jetzigen § 133 Abs. 3 Nr. 2 InsO gibt es Privilegierungen für Zahlungen, die nach der Gewährung von Zahlungserleichterungen erfolgen (Synopse bei buzer.de). Hier bleibt abzuwarten, was die Rechtsprechung daraus macht.