Das Impulse-Magazin hat geradezu ungeheuerliches herausgefunden:
Insolvenzverwalter treiben mit rabiaten Methoden Geld bei Mittelständlern ein – häufig ohne Rechtsgrundlage. Unternehmer sollten sich nicht einschüchtern lassen.
Daniel Schönwitz hat in Ausgabe 3/2018 6 gute Seiten darüber geschrieben, welche „Tricks“ Verwalter nutzen und was sich dagegen tun lässt.
Wie das in der Praxis funktioniert, erkläre ich in unserer „Foto-Lovestory“.
Damit es übersichtlich bleibt, hat jeder der Mitspieler seine eigene Farbe bekommen. Der Insolvenzverwalter blau. Die von ihm beauftragten Rechtsanwälte grün und wir – natürlich – orange.
Meine Mandantin hatte ein Treuhandkonto eingerichtet. Auf dieses hatte die spätere Schuldnerin nach Abtretung einen Steuererstattungsanspruch überweisen lassen. Von dem Guthaben wurden dann unter anderem diverse Einkäufe für den Betrieb der Schuldnerin getätigt.
Jedenfalls flatterte meiner Mandantin irgendwann das folgende Schreiben des Insolvenzverwalters auf den Tisch:
Dieses Scheiben enthält die typischen Elemente eines Anfechtungsschreibens von Insolvenzverwaltern: (1.) Am Anfang eine ganz weit gefasste Anspruchsgrundlage („alle in Betracht kommenden“) – das ist nach der Rechtsprechung ausreichend. (2.) Dann baukastenartige Ausführungen die mit ein paar Infos zum Sachverhalt angereichert sind und am Ende gibt es (3.) noch einen Bonus, wenn man ohne zu Mucken bezahlt: der Verwalter verzichtet auf die Zinsen.
Meine Mandantin ist klug und hat mich mandatiert. Auf das Schreiben des Verwalters habe ich wie folgt geantwortet:
Das war natürlich nickelig, weil ich ihn absichtlich falsch verstanden hatte. Aber im Anfechtungsrecht geht es um Rechtshandlungen und der Verwalter hatte nunmal die Abtretung angefochten.
Danach ist dem Verwalter wohl gedämmert, dass sein Schuss ins Blaue nicht getroffen hat und es nicht ganz so einfach wird wie es gedacht hat. Vor allem aber muss ihm gedämmert sein, dass er nicht recht weiß, was eigentlich passiert ist und gar keine Unterlagen – sprich Kontoauszüge – hat; deswegen hat er mich aufgefordert, ihm diese zu schicken. Netter Versuch, aber es ist natürlich seine Aufgabe, alles zusammenzusammeln, was er braucht.
Obwohl er also den behaupteten Anspruch offensichtlich nicht darlegen konnte, schrieb er gleichzeitig:
Na ja, immerhin war die Forderung ohne ersichtlichen Grund um rd. 1.500 € gesunken.
Aber das Spiel war ja noch nicht vorbei und deswegen antwortete ich ihm:
Eine Anspruchsgrundlage hatte der Verwalter also immer nicht und der Sachverhalt war ihm auch nicht richtig klar – schließlich hatte er immer noch keine Kontoauszüge. Aber das hielt ihn natürlich nicht davon ab, mir zu schreiben:
Danach kam noch mal eine Zahlungsaufforderung und eine Frist.
Es ist ja immer gut, wenn man einen Standpunkt hat. Dachte sich auch der Verwalter und zündete Stufe zwei der Eskalationsrakete. Er schaltete eine Anwaltskanzlei ein – an der er natürlich beteiligt ist. Und die schrieb:
Gut, die Forderung war noch einmal um 2.000 € gesunken. Die Gegenseite war also auf dem richtigen Weg, meinte nun aber, die Verfügungen über das Guthaben wären gar nicht von der Schuldnerin veranlasst worden.
Na gut, dachte ich, schicke ich halt mal ein paar ausgewählte Infos an die Gegenseite und sage nett „Ihr könnt Euch gehackt legen“:
Statt sich „gehackt“ zu legen oder eine Klage einzureichen schrieben die Gegenanwälte noch einmal und haben das gleich mit einem kleinen Einführungskurs im Zivilprozessrecht verbunden (vielen Dank dafür!).
Allerdings offenbart sieh hier genau das Problem der Gegenseite: sie war selbst nicht sicher, ob es für eine schlüssige Klage reicht. Schlüssig meint in diesem Zusammenhang: alle Voraussetzungen des Tatbestandes müssen dargelegt und beweisen werden können.
Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören und so schrieb ich:
Wie ich erwartet hatte, kam keine Klage. Dafür schrieb der Insolvenzverwalter wieder:
Klartext: Der Verwalter will wissen, ob er wenigsten die Empfänger der Zahlungen in Anspruch nehmen kann. Das wäre der Fall gewesen, wenn meine Mandantin diesen erzählt hätte, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig ist.
Nun hätte ich natürlich schreiben können, dass ich ihm das nicht sagen kann, weil ich sonst den Gegenanwalt umgehen würde. Aber ich hatte meinen guten Tag und so schrieb ich statt dessen:
Danach haben sich weder der Insolvenzverwalter noch die von ihm beauftragten Anwälte jemals wieder gemeldet. Mittlerweile ist der Anfechtungsanspruch verjährt und meine Mandantin „safe“.
Grundsätzlich muss ich in diesem Fall dem Verwalterbüro und den Anwälten aber zugute halten, dass sie grundsätzlich ordentliche Arbeit gemacht haben machen wollten. Der Verwalter hat aber oft Schwierigkeiten, den Sachverhalt richtig zu ermitteln, weil er nur dass weiß, was der Schuldner ihm sagt und was er selbst herausfindet. Und da seine Vergütung auch davon abhängt, wie viel Masse er realisiert, versucht er es halt mal.
Und die Lektion von der Geschicht‘:
- Lassen Sie sich nicht ins Boxhorn jagen, wenn der Insolvenzverwalter viele Paragraphen und Urteile in seinen Brief schreibt. Verschaffen Sie sich in aller Ruhe einen Überblick über die Rechts- und Beweislage, bevor Sie reagieren.
- Prüfen Sie genau, wie der Anspruch ermittelt ist und rechnen Sie nach.
- Geben Sie dem Verwalter nicht bereitwillig Informationen – bedenken Sie, dass er die Anspruchsvoraussetzungen substantiiert darlegen muss.
- Wenn an der Position des Insolvenzverwalters etwas dran ist, bietet es sich ggf. an, mit ihm zu verhandeln (jedenfalls wenn er genug Masse für die Klage hat oder wahrscheinlich Prozesskostenhilfe bekommen wird). Meistens wollen Insolvenzverwalter eine wirtschaftliche Lösung finden – genau wie Sie.
Oder Sie beauftragen einfach uns 😉
4 Comments
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Mir erscheint etwas unklar, weshalb ihre Mandantin ein Treuhandkonto einrichtet, auf das Forderungen der späteren Schuldnerin eingezogen werden (Treugeber = der spätere Insolvenzschuldner?)
Denn man könne auch daran denken, dass Ihre Mandantin aufgrund des Treuhandkontos (selbst wenn das aufgelöst wurde) noch nachwirkende Treue- und auch Auskunftspflichten (666 Abs. 3 BGB) gegenüber der Insolvenzschuldnerin und ab Eröffnung also gegenüber dem Insolvenzverwalter hatte. Von daher verstehe ich nicht, weshalb man nicht einfach wahrheitsgemäß mitteilt (statt sich in einen wochenlangen Schriftverkehr zu vertiefen): es war ein Treuhandkonto, es gab ein Guthaben, weil die USt-Forderung nicht nur abgetreten, sondern auch ausbezahlt wurde und die Schuldnerin hat die Beträge abverfügt, bei meiner Mandantin ist also nichts verblieben, was anfechtbar erlangt sein könnte. Wenn man davon ausgeht, dass materiell keine Anfechtung durchgeht und nicht nur auf Verjährungn hofft.
Falls das Treuhandkonto schon während drohender ZU der Schuldnerin eingerichtet wurde, könnte man ja darüber nachdenken, dass Ihre Mandantin ggf. ein Problem wegen Beihilfe zur Gläubigerbegünstigung oder zum Bankrott bekommen kann.
Das sind alles gute Ideen.
Natürlich hätte man den Fall auch ganz anders bearbeiten können. Aber ich bin da ganz pragmatisch: Am Ende zählt nur das Ergebnis.
Meine Mandantin musste weder knapp 30.000,00 € zahlen, noch ein Gerichtsverfahren durchführen – und damit sind sowohl ich als auch sie ganz zufrieden.
BGH · Urteil vom 26. April 2012 · Az. IX ZR 74/11:
1. Ein uneigennütziger Treuhänder unterliegt der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet.
2. Ein uneigennütziger Treuhänder, der anfechtbar erlangte Gelder des Schuldners weisungsgemäß an dessen Gläubiger auszahlt, ist zum Wertersatz verpflichtet, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.
Danke für den Hinweis. Der hier wiedergegebene Fall unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von dem Fall, der der BGH-Entscheidung zugrunde liegt.
Im hier wiedergegebenen Fall passierte alles lange vor dem Insolvenzantrag. Im BGH-Fall hatte die Schuldnerin die Überweisung erst ausgeführt, nachdem sie über ihre Zahlungsunfähigkeit und den gegen sie gestellten Insolvenzantrag unterrichtet war. Auch der Treuhänder kannte die Situation.
Im BGH-Fall ging es der Schuldnerin darum, die Sozialversicherungsträger zu begünstigen, um sich vor negativen Folgen zu schützen. Dies war hier nicht der Fall.
In „meinem“ Fall gingen sowohl die Schuldnern als auch meine Mandantin davon aus, sämtliche fälligen Verbindlichkeiten beglichen zu haben und eine Insolvenzsituation dauerhaft abgewendet zu haben – der erforderliche „doppelte Vorsatz“ liegt also nicht vor.
Dieser Punkt war aber gar nicht mehr Gegenstand der Auseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter. Mein kleiner Beitrag diente dazu, zu illustrieren, wie Verwalter manchmal ins Blaue schießen (müssen) und wie man darauf reagieren kann.